Verbieten? Brandmauern?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die AfD zu bekämpfen. Man kann juristisch gegen sie vorgehen, man kann sie dem Verfassungsschutz überlassen, man kann rhetorisch mit ihr umgehen oder mit dem Selbstbewusstsein einer seit vielen Jahrzehnten etablierten Demokratie.

Juristisch: Der „Spiegel“ plädiert in einem Leitartikel für ein Verbot und zwar auf Landesebene, genauer gesagt im Osten. Das ist ein schlauer Schachzug, denn die Gesamtpartei vom Bundesverfassungsgericht sanktionieren zu lassen, wäre ungleich schwieriger. Leichter könnte der thüringische Landesverband rund um Björn Höcke und seinen Trupp verboten werden, zumal man Höcke laut Gerichtsbeschluss einen Faschisten nennen darf.

Die Frage ist natürlich, ob dieser juristische Partikularismus eine politische Auseinandersetzung ersetzen könnte. Nach aller Erfahrung doch wohl eher nicht, zumal die Repräsentanten der AfD ihren Extremismus geschickter handhaben und eben zum Beispiel nur noch selten von einem Austritt aus der Europäischen Union fantasieren. Und mehr Distanz zur USA und weniger Distanz zu Russland fordert auch Sarah Wagenknecht, der eine linke AfD vorschwebt.

Verfassungsschutz: Wer sich auch immer mit der AfD befasst, findet in Michael Haldenwang einen Chronisten der rasanten Entwicklung der Rechten. „Wir sehen eine erhebliche Anzahl von Protagonisten in dieser Partei, die immer wieder Hass und Hetze verbreiten gegen Minderheiten aller Art hier in Deutschland«, sagte er nach dem Europa-Parteitag der AfD. Für ein Teil- oder Gesamtverbot der AfD müsste der Bundesverfassungsschutz, dem Haldenwang vorsteht, die Grundlage liefern. Er erweckt den Eindruck, dass er sich es zutraut. Damit ist er zur Hassfigur der AfD aufgestiegen.

Rhetorik: Haldenwangs Öffentlichkeitsarbeit in allen Ehren, aber eigentlich sollte jemand in seiner Funktion mehr Zurückhaltung üben. Statt dessen füllt er eine Lücke, die Politiker aller Parteien entstehen ließen. Denn die Auseinandersetzung mit der AfD obliegt dem Bundeskanzler oder Vorsitzenden wie Christian Lindner und Friedrich Merz. Merz hat in Verkennung der Prioritäten die Grünen als Hauptgegner identifiziert.

Ja, das Heizungsgesetz ist ein Herzensanliegen von Robert Habeck und war in sonderbarer Ignoranz für die Außenwirkung formuliert worden. Kritik daran ist berechtigt. Aber etliche Gründerfiguren wie Alexander Gauland sind nicht zufällig der CDU entsprungen und die AfD ist in Konkurrenz zu ihr gegründet worden. Dazu ist sie in Sachsen, Sachsen-Anhalt der Thüringen zu fester Größe aufgestiegen – in Ländern, in denen die CDU nach der Wende als Volkspartei Triumphe gefeiert hatte. Die AfD ist ihr Hauptgegner.Auf diesem historischen Hintergrund genügt es bestimmt nicht, Brandmauern gegen die AfD zu errichten. Außerdem ist es ziemlich dämlich, wenn ein Parteivorsitzender der CDU Mauern aufbauen möchte. Diese markige Rhetorik kommt in Ostdeutschland nicht besonders gut an. Gestern war es 62 Jahre her, dass eine Mauer das eine kleine Deutschland vom anderen großen Deutschland getrennt hatte. Hat kein Berater seinen Meister auf diese Symbolik hingewiesen?

Selbstbewusstsein: Es ist überfällig, dass Vertreter aller Parteien in die Länder ausschwärmen, in denen in einem Jahr Wahlen anstehen. Zu ihnen zählen auch besserwisserische Landesfürsten wie Wüst/Günther/Söder. Sie sollten zuhören und richtigstellen. Sie sollten sich sagen lassen, warum CDU/FDP/Grüne/Linke hier dramatisch an Vertrauen verloren haben, und könnten für ihre Lösungen der Probleme werben, im Kleinen wie im Großen.

Sie haben ja gemerkt, dass sie zusammen an Autorität und Überzeugungskraft verlieren. Das gilt für die drei Fraktionen in der Bundesregierung wie für die CDU in der Opposition und die an ihrer Bedeutungslosigkeit arbeitende Linke. In Berlin haben alle Parteien zuletzt selbstvergessen operiert, als gäbe es keine Außenwelt. Diese Phase sollte vorüber sein. Besser wär’s.

Es hängt entscheidend davon ab, in welchem Gemütszustand die AfD bekämpft wird. Empörung darüber, dass es sie gibt, hilft nicht weiter. Juristische Konfrontation ist ein letztes Mittel. Aber zuerst und zuletzt kommt es auf die politische Auseinandersetzung an. Und das Selbstbewusstsein der Demokraten schadet bestimmt nicht, vor allem dann, wenn es mit einer gewissen Demut durchmischt ist.

Veröffentlicht auf t-online.de, gestern.