Auf menschlich niedrigster Stufe

Friedrich Merz darf sagen, er sei dabei gewesen, als es los ging –  eher verhalten noch, aber mit der Ahnung, dass bald Worte wie Drohnen fliegen würden. Unser Kanzler saß in gelassener Verbindlichkeit auf seinem Stuhl im Oval Office, als Donald Trump in seiner unnachahmlichen Art Fragen von Journalisten so beantwortete: Er sei enttäuscht von Elon, über seine Undankbarkeit, er habe doch so viel für ihn getan. 

Natürlich ist Voyeurismus verständlich, wenn zwei Ausnahmemenschen entfesselt auf einander losgehen und sich mit wüsten Drohungen belegen. Vernichtungsphantasien brechen offenbar immer durch, wenn Elon Musk und Donald Trump Feinde identifizieren. Und zu Feinden sind sie blitzschnell geworden, auch wenn sie gerade noch Zwillinge im Geiste im Kampf gegen Staat und Demokratie waren, um daraus mindestens eine Autokratie zu formen.

Kulturell ist dieser Kampf der Giganten eine Katastrophe. An Schamlosigkeit, an Bösartigkeit, an Unanständigkeit sind sie nicht zu überbieten. Trump will Musk am liebsten finanziell ruinieren, während Musk den Präsidenten nur zu gerne stürzen würde. Trump redet über Musks Drogenkonsum, Musk redet über Trumps Nähe zu einem Päderasten-Ring.

So kann sich Narzissmus auf menschlich niedrigster Stufe austoben. Der Grund für den Machtkampf ist fast vergessen. Musk findet Trumps Steuerreform, die Reiche entlastet und Arme benachteiligt, völlig falsch, weil sie das Horror-Defizit des Staates, 36,5 Billionen Dollar, noch höher treibt.

In einer tieferen Schicht findet derzeit in Amerika eine klassische Auseinandersetzung statt, welche die Demokratie seit je her begleitet. Wem fällt der Primat zu – Politik oder Wirtschaft? Auf den Höhepunkt getrieben wird dieser Machtkampf, weil es sich bei Trump um den Präsidenten einer Supermacht und bei Musk um den reichsten Mann der Welt handelt. Da Trump aber selber seine Macht in Form von Wirtschaftsdeals ausübt und als der Präsident in die Geschichte eingehen dürfte, der beispiellose Selbstbereicherung betrieben hat, entbehrt die Auseinandersetzung nicht einer gewissen Ironie.

Das Feld, auf dem sich diese denkwürdige Auseinandersetzung entfaltet, ist der Kapitalismus. Selbstverständlich bildeten die beiden eine Zweckgemeinschaft vor der Wahl und auch danach. Was Elon Musk in Trumps Kampagne steckte, 275 Millionen Dollar angeblich, will er zurück haben und zwar in Form von Regierungsaufträgen für seine Weltraumfirma SpaceX und von Subventionen für seinen Tesla-Konzern.

Trump zahlte zuerst einmal zurück mit Nähe, so dass Musk im Oval Office ein und ausging, als wäre er ein zweiter Präsident. Dazu bekam er den privilegierten Auftrag zur Zerschlagung der Bürokratie.

Ähnliche Revolutionen, ökonomisch wie kulturell, unternahmen auch andere Präsidenten, zum Beispiel Ronald Reagan. Aber in den 1980er Jahren kam er ohne egomanes Dauerfeuer aus, im eigenen Land wie auch im Verhältnis zu den Verbündeten. Der Feind stand im Osten, die Sowjetunion.

Damals stand der Dualismus von Kommunismus und Kapitalismus vor dem Ende. Beide Systeme hatten jahrzehntelang die bessere Moral, die besseren Werte für sich reklamiert. Seit 1989 gibt es aber nur noch den Kapitalismus, der jetzt konkurrenzlos um sich selber kreist. Die rohe, bedenkenlose, kompromisslose Erscheinungsform wird heute vertreten durch Trump samt seinen Anhängern an der Wall Street und den Tech-Oligarchen an der Westküste, deren Megaphon Musk ist.

Es versteht sich, dass Amerika das Duell liebt. Aber wer gewinnt? Die salomonische Antwort lautet: keiner von beiden. 

Der Präsident droht Musk allerlei an: Die Regulierungsbehörden könnten Untersuchungen über sein Geschäftsgebaren aufnehmen; damit ließ sich ihm schaden. SpaceX, der Raumfahrtkonzern, käme ohne Staatsaufträge in Schwierigkeiten. „Die einfachste Art, Milliarden Dollar im Budget zu sparen, ist es, Elons Subventionen und Kontrakte zu streichen,“ schrieb der Präsident auf seiner Medien-Platform „Truth Social“.

So einfach ist es aber nicht. So schnell kriegt der wütende Präsident den reichsten Mann de Welt nicht los. Dummerweise ist er auf ihn angewiesen.

Denn das Pentagon und die Nasa sind abhängig von SpaceX, das Raketen und Satelliten ins All schicken kann. Sollten die Kontrakte wirklich gestrichen werden, dann könnte Amerika auf absehbare Zukunft keine Astronauten mehr auf die Umlaufbahn schicken. Außerdem wäre damit auch ein Lieblingsprojekt des Präsidenten gefährdet, die „Mission Dragonfly“, eine nuklear angetriebene Drone, die im Weltraum platziert werden soll, um Amerika unverwundbar zu machen. Davon abgesehen, würden enorme Summen für die Beendigung der Verträge fällig.

Der Rachelust, bei beiden gleichermaßen hoch entwickelt, den anderen vom Thron zu stürzen, sind Grenzen gesetzt. Diese Einsicht ist vermutlich in Washington wie im Silicon Valley verbreitet. Deshalb arbeiten dienstbare Geister schon daran, die beiden zur Vernunft zu bringen – was, zugegeben, eine wahrlich undankbare Aufgabe ist.

Denn beide müssen sich an den Gedanken gewöhnen, dass sie nur in ihrer Phantasie allmächtig sind.

Veröffentlicht auf t-online.de, heute.