Als in meinem Leben das Gefühl überwog, dass ich für andere da bin, aber nicht für mich, kam ich auf die Idee, Gedichte zu lernen. Morgens fuhr ich mit der AKN ins Büro und suchte mir ein Gedicht aus. Anfangs ging das Lernen schleppend, aber rasch stellte sich Routine ein. Nach nicht allzu langer Zeit konnte ich eine erkleckliche Anzahl an Gedichten auswendig. Lange idealistische von Schiller („Die Bürgschaft“), epische von Goethe („An den Mond“), Gassenhauer wie Rilkes „Panther“, dazu Ringelnatz, Morgenstern, Benn, Enzensberger etc.
Gestern fuhr ich mit dem Bus in die Yorckstr., um meinen Enkel Theo aus der Schule abzuholen. Aus unerfindlichen Gründen fiel mir ein, ich könnte mir ja mal wieder ein Gedicht vornehmen. Früher hatte ich, nächtens wach geworden, mein Repertoire wiederholt, doch war mir diese Übung abhanden gekommen. Also lernte ich auf dem Hinweg (20 Minuten) Paul Clans „Corona“, ein Liebesgedicht für Ingeborg Bachmann, das ich schon mal konnte, aber vergessen hatte. Auf dem Rückweg machte ich mich an den „Funeral Blues“ von W.H. Auden, den ich natürlich aus dem herrlichen Film „Vier Heiraten und ein Todesfall“ kannte. Da ich bei mehreren Todesfällen die Trauerrede gehalten habe, wollte ich dieses Poem als Vorbild parat haben. Hier ist es, „Corona“ folgt in den nächsten Tagen.
Stop all the clocks, cut off the telephone,
Prevent the dog from barking with a juicy bone,
Silence the pianos and with muffled drum
Bring out the coffin, let the mourners come.
Let aeroplanes circle moaning overhead
Scribbling on the sky the message He Is Dead,
Put crêpe bows round the white necks of the public
doves,
Let the traffic policemen wear black cotton gloves.
He was my North, my South, my East and West,
My working week and my Sunday rest,
My noon, my midnight, my talk, my song;
I thought that love would last for ever: I was wrong.
The stars are not wanted now: put out every one;
Pack up the moon and dismantle the sun;
Pour away the ocean and sweep up the wood.
For nothing now can ever come to any good.