Ein paar Nachrichten aus Deutschland in den letzten Tagen: Die Wirtschaft wird im Jahr 2024 erneut schrumpfen. Eine Rezession von 0,1 Prozent ist nicht die Welt, aber in einem Land, dem das Selbstvertrauen abhanden kommt, das unruhig, sogar unberechenbar wirkt und müde der Veränderungslast, fällt vieles ins Gewicht, was unter besseren Umständen abgeschüttelt würde.
Anderen Ländern ergeht es ökonomisch besser, zum Beispiel Frankreich und den USA, auch China. Dort wächst die Wirtschaft. Man könnte hoffen, dass es sich bei uns um einen vorübergehenden Effekt handelt, aber wir ahnen, dass die Gründe tiefer liegen könnten.
Weiter: Erheblich weniger deutsche Autos gehen in den Export. Der Optimismus wegen der E-Autos ist aus vielerlei Gründen verflogen. Dazu denkt VW daran, die seit 30 Jahre bestehende Beschäftigungssicherung aufzuheben, so dass 30 000 Jobs gefährdet sind. Bayer hat sich mit dem Glyphosat-Konzern Monsanto verhoben. BASF sitzt auf einem Schuldenberg bei sinkendem Eigenkapital.
Dellen in der Konjunktur, national begründet oder international, gehören zum Kapitalismus. Volkswirtschaften wandeln sich und dabei entstehen Gefälle in Industrie und Unternehmen – die einen kommen mit, die anderen hinken hinterher. Wenn allerdings ein Exportland wie Deutschland an der Modernisierung, Stichwort Digitalisierung, nicht rechtzeitig teilnimmt, können Verwerfungen von Dauer entstehen. Wenn zu viele Big Player kränkeln und ganze Branchen, wie die Chemie, unter hohen Energiepreisen stöhnen, wird es bitter.
In solchen serienartigen Krisen richtet sich der Blick auf die Bundesregierung. Überhaupt ist die Überschätzung der Möglichkeiten von Politik in Deutschland besonders ausgeprägt. Die Regierung, auch nicht die Ampel, ist jedoch weder für goldene Zeiten noch für bleierne Zeiten ursächlich zuständig. Zuerst kommt die Ökonomie, dann die Politik, so ist das nun mal in marktwirtschaftlichen Demokratien.
Was daraus folgt hat die CDU schon unter Konrad Adenauer verstanden: Wir bauen den Sozialstaat auf, aber in Maßen; ansonsten geben wir der Wirtschaft, was sie braucht. Die FDP ist, vor allem heute, eine CDU in Schrumpfausgabe: Die Schuldenbremse ist unantastbar, Steuererleichterungen für die Wirtschaft und freie Fahrt für schnelle Bürger.
Dass die Grünen in ihrer DNA mit der SPD zwillingshaft verbunden sind, erweist sich am Verhältnis zum Staat. Anders gesagt, befanden sich beide Parteien in ihrem Element, als Pandemie und Ukraine-Invasion die Schleusen öffnete. Der Staat alimentierte ins Trudeln geratene Firmen und Unternehmen, steuerte die Energieversorgung um und half, wo er musste. Die Gegensätze zur FDP wirkten sich erst destruktiv aus, als das Bundesverfassungsgericht die Schleusen schloss. Seitdem ging nichts mehr und das Ansehen der Regierung rauschte in den Keller.
Ökonomie ist nicht alles, aber ohne Ökonomie ist alles nichts. Ökonomie verschärft auch kulturelle Konflikte wie den über Migration und Asyl. Auf diesem Feld entwickelte die Ampel urplötzlich Betriebsamkeit, weil sie den wachsenden Unmut der wählenden Bürger vernahm. War ja auch überfällig und wird ihr deshalb nicht gutgeschrieben. Diese Identitätskrise fiele ohne ökonomische Krise womöglich weniger toxisch aus.
Was tun? Ändert sich ernsthaft etwas, wenn die FDP die Regierung sprengt? Sie hätte es längst getan, wenn sie sich davon etwas versprechen dürfte. Ändert sich etwas, wenn Boris Pistorius Kanzler wird? Die Stimmung ja, aber nicht die SPD, zerrissen wie sie ist. Und wer glaubt schon, dass in der Ampel unter einem neuen Kanzler plötzlich Harmonie ausbricht?
Dazu kommt, dass die Grünen noch schwächer werden, wenn es kommt, wie es zu kommen scheint. Aller Voraussicht nach sind sie jetzt dran mit der Abspaltung. Kann gut sein, dass die ausgetretenen jungen Grünen eine linksökologische, antikapitalistische Partei gründen. Dass man mit solchen Start Ups Erfolg haben kann, hat das BSW vorgemacht. Und natürlich auch die AfD, die als Fleisch vom Fleisch der CDU begann. Nur die FDP ist vor Halbierung gefeit, ausgedünnt wie sie ist.
Die CDU sollte sich diese Bedingungen sehr gut anschauen, ehe sie die Wahl gewinnt, wovon man ausgehen kann. Wäre ja schön, wenn die Erleichterung nicht nur einen Wimpernschlag lang anhielte, weil das Trio Scholz/Lindner/Habeck abgelöst worden ist. Aber diese Doppelkrise aus Ökonomie und Migration ist nun einmal tückisch und kann auch eine neue Regierung unter Friedrich Merz leicht auffressen.
Veröffentlicht auf t-online.de, heute.