Vor ein paar Tagen ist Klaus Töpfer gestorben. Er war unter Helmut Kohl Umweltminister. Kein Parteisoldat, sondern ein unabhängiger Kopf mit weitreichender Kompetenz. Geschätzt von vielen über sämtliche Grenzen hinweg, die für weniger kundige Köpfe hochgezogen werden. Er ist mal durch den Rhein geschwommen, zum Beweis, dass seine Gewässer sich erholt hätten. Diese Show passte gar nicht zu ihm. Später ist er international unterwegs gewesen, für die Uno.
Ich will aber eine andere Geschichte mit Klaus Töpfer erzählen. Sie spielt in Rheinland-Pfalz, wo er sich die Meriten erwarb, die Helmut Kohl aufmerksam werden ließen. Eines Tages war ich in Mainz, um mir einen Ausschuss anzuschauen, der landesweite Bedeutung hatte. Ich mochte Mainz, ich hatte dort studiert und promoviert. Mein Sohn Vincent kam dort auf die Welt. Zehn Jahre meines Lebens verbrachte ich in dieser Stadt mit ihrer stolzen Geschichte, ihrer Lässigkeit und dem heiteren Dualismus von Landeshauptstadt und Campus-Universität.
An diesem Tag war Ich aus Hamburg angereist und fröhlich, wieder da zu sein. Die Sitzung des Ausschusses, es ging um eine Falschaussage des Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl, war erwartbar langweilig. Da fragte mich Jürgen Busche, der auch vor kurzem starb, ob ich nicht Lust auf einen Skat hätte. Ich spiele gerne Skat, obwohl mir der Sinn nicht unbedingt in diesem Augenblick danach stand, als mich der Kollege der FAZ, den ich wegen seiner Unberechenbarkeit schätzte, dazu aufforderte. Er sagte, wie könnten Klaus Töpfer im Ministerium abholen und bei dem zu Hause biertrinkend Skat klopfen.
Ich staunte. Ich wusste nicht, dass man einen Landesminister nachmittags gegen 3 Uhr von seinem Schreibtisch loseisen konnte. Noch mehr staunte ich, als es genauso kam, wie Jürgen Busche vorausgesehen hatte. Wir gingen ins Ministerium, wir stießen in Töpfers Büro vor, der stand auf, der Fahrer fuhr uns nach Hause zu den Töpfers. Wir setzten uns hin und droschen stundenlang Skat. Wir tranken Bier auf Bier. Es war wunderbar.
Busche gehörte zu den Trinkern, die schon nach dem nächsten Bier jammern, wenn das vor ihnen stehende Glas noch knapp halbvoll war. Töpfer trank gleichmäßig. Ich hielt mich zurück. Was aber das Erstaunlichste an diesem wilden, überraschenden, lustigen, angeregten Nachmittag war, hatte mit dem Skatspieler Klaus Töpfer zu tun. Er war der beste Spieler, dem ich jemals gegenüber gesessen habe. Er machte aus wenig viel. Wir nahmen Busche Spiele ab, die er gut hätte gewinnen können. Busche, ein Choleriker, geriet in Wallung und vermutete Komplotte zu seinen Ungunsten, wo er doch so sehr Komplotte zu anderer Leute Ungunsten liebte.
An diesen Mainzer Nachmittag, der sich tief in die Abendstunden hinein bohrte, musste ich bei Klaus Töpfers Tod denken. Ich hoffe, er und Jürgen Busche finden einen dritten Mann in Himmel oder Hölle, wo auch immer sie sich getroffen haben mögen.