Aiwanger war gestern, Augenklappe ist heute

Zunächst einmal gilt Olaf Scholz unser geballtes Mitleid. Wer sich dermaßen die rechte Gesichtshälfte verschandelt, muss schon ganz schön übel gestürzt sein. Vielleicht ist er über einen Stein gestolpert, vielleicht hat er eine Wurzel übersehen, vielleicht ist er beim prüfenden Blick hoch zum verdunkelten Himmel ins Straucheln geraten. Leider kennen wir noch nicht den gesamtumfänglichen Hergang des dramatisch herunter gespielten Unfalls, aber die harten Jungs aus den Recherche-Pools werden nicht ruhen, bis sie die Wahrheit und nichts als die Wahrheit heraus gefunden haben. Wir erwarten ihre Erkenntnisse voller Spannung. Aiwanger war gestern, die Augenklappe ist heute.

Ja, joggen ist gefährlich. Fussgänger sind grundsätzlich unberechenbar, Radfahrer gemeingefährlich, von den Weg kreuzenden Wildschweinen nicht zu reden. Vor kurzem kam der Präsident der Universität Bayreuth, bekannt durch KT zu Guttenberg, beim Joggen zu Tode. Er war aushäusig unterwegs gewesen, auf der Kölner Rheinpromenade, überquerte einen Bahnübergang bei Rot und ein Zug erfasste ihn. Oder die US-Schauspielerin Reese Witherspoon („Sweet Home Alabama“), die in Santa Monica über einen Zebrastreifen nach Hause joggen wollte, als ein Automobil sie erfasste. Überlebt hat sie, mit Schrammen und Prellungen, ähnlich wie der Kanzler.

Wie das immer so ist, fallen unsereinem bei einem neuen Sportunfall noch viel schlimmere Vorkommnisse ein, hinter denen die Augenklappe und die Gesichtsblessuren von Olaf Scholz verblassen. Dabei sollten wir aber nicht vergessen, welch ungeheurer Vorteil darin liegt, dass ein deutscher Kanzler sich gleichbleibend schlank joggt, anstatt sich mit Saumagen voll zu stopfen (Kohl) oder Currywürste in sich hinein zu schaufeln (Schröder). Schon einmal aus diesem Grund überlassen wir anspielungsreiche Witzchen der Konkurrenz, etwa wie: Nicht mal das Joggen kriegt dieser Kanzler hin oder sicherlich hat ihm einer seiner Bodyguards im Auftrag von Putin in die Beine getreten.

Wer joggt, hat meine Sympathie. Vielleicht bewältigt Olaf Scholz die Irrsinnsbelastung im Kanzleramt auf diese Weise besser. Vielleicht trägt der gelegentlich Adrenalinschub zur Erheiterung seines Gemüts bei. Deshalb möchten wir ihm zurufen: Weiter joggen, Herr Bundeskanzler! Nur schade um die rechte Augenklappe, denn mit der Klappe auf dem linken Auge sähe er wenigstens aus wie der israelische Kriegsheld Mosche Dajan, was natürlich in Zeiten des Ukraine-Krieges die Sympathie von Selenskji eingebracht hätte. Aber sei’s drum, man kann nicht alles haben.

Und wenn Olaf Scholz jetzt das Joggen vergangen sein sollte, bleibt immer noch der Trost, den der ewige Zigarrenraucher Winston Churchill spendete. Gefragt nach dem Geheimnis seines hohen Alters, antwortete er: No sports.

Veröffentlicht auf t-online.de, heute.