Klopp, eindimensional

Heute hat der FC Liverpool sein sechstes Heimspiel verloren: gegen Fulham, tief unten im Tabellenkeller. Der Trainer ist ratlos und ideenlos. Er sagt, die Mannschaft hat ihren Schwung verloren, sie hatte ja Ende des Jahres noch an erster Stelle gestanden. Ich hoffe, er sucht das Problem auch anderswo, zum Beispiel bei sich.

Jürgen Klopp ist bekannt für seinen Enthusiasmus, den er auf seine Mannschaften übertragen kann. Er ist wegen seines Freimuts und seiner Ironie beliebt. Überhaupt dürfte er so gut wie keine Feinde besitzen. Beneidenswert.

Auf den Stil, den er zuerst Borussia Dortmund und dann Liverpool beibog, hat er kein Monopol, aber er hat ihn zur Perfektion getrieben. Gelingt dieses Pressing, entsteht ein faszinierender Wirbel, ein enormer Sog, der alle mitreißt, die elf Spieler auf dem Platz, das Publikum und natürlich auch den Trainer, der wie ein Derwisch dort draußen am Spielfeldrand herumtanzt. Den Spielern verlangt das enorme Laufbereitschaft und pausenlose Konzentration ab. In Dortmund wie in Liverpool fand Klopp eine junge, hochtalentierte Mannschaft vor, die für ihn durchs Feuer ging. Der Erfolg erschien wie das zwangsläufige Produkt von Begabung und Hingabe.

Trainer bleiben selten lange in derselben Stadt. Viele ziehen schnell weiter. Thomas Tuchel ging in Paris durch die Tür raus und in Chelsea durch die Tür rein. Klopp bevorzugt lange Verweildauer. Freiwillig verließ er Dortmund. Ginge es nach ihm, bliebe er wohl auch noch lange in Liverpool.

Das Problem für Klopp besteht darin, dass er nur ein System kennt. Eben das hohe Pressing mit schnellst möglicher Balleroberung nach Ballverlust. In Dortmund hatte es sich erschöpft. In seinem letzten Jahr stand der BVB bei Halbzeit der Saison an letzter Stelle. An letzter Stelle! Liverpool wird gerade durchgereicht, momentan steht die Mannschaft an siebter Stelle, Tendenz sinkend.

Ja, der grandiose Virgil van Dijk fehlt schmerzlich, genauso wie Joe Gomez oder Joel Matip in der Defensive . Ja, der grandiose Torhüter Allison Becker macht Fehler, die er sonst nie macht. Ja, Mo Salah und Sadio Mané sind weit weniger explosiv und treffsicher als noch vor kurzem. Vor allem aber ist diese Mannschaft nach ein paar Jahren Dauerpressing erschöpft, seelisch wie körperlich. Und weil entscheidende Spieler fehlen, kommt es auf den Trainer an. er muss sich einiges einfallen lassen, um die Ausfälle zu kompensieren und mit den Spielern, die da sind, eben anders zu spielen. Er müsste seinen Stil ändern, den Gegebenheiten anpassen, damit auskommen, was er hat.

Thomas Tuchel und Pep Guardiola haben eine Idee vom perfekten Fußballspiel. Für sie sind Spieler wie Schachfiguren, die sie hin und her schieben. Stehen Spiele gegen starke Mannschaften an, tüfteln sie so lange, bis ihnen etwas eingefallen ist. Mit einer geschwächten BVB-Truppe (Hummels/Gündogan/Mikytarian waren weggegangen, drei Spieler, die den Unterschied machten) holte er den Pokal. Man City ist in dieser Saison beinahe so gut, wie eine Mannschaft sein kann (auch wenn sie heute gegen United verlor).

Diese Alternative steht ihm aber nicht zur Verfügung. Er bleibt bei seinem Stil, auf Teufel komm raus.

Mit Dortmund gewann Klopp zweimal die Meisterschaft, einmal den Pokal und verlor das Finale in der Champions League. Liverpool gewann mit Klopp die Champions League und die Meisterschaft. In Dortmund blieb er sieben Jahre. In Liverpool ist er seit sechs Jahren. Er ist ein ungewöhnlich erfolgreicher Trainer, den das Publikum und die Presse lieben und alle bedauern, wenn ihn der Erfolg wegen seiner Eindimensionalität verlässt. Gut möglich, dass er bald weiterzieht, zu einer jungen, hungrigen Mannschaft in einer alten Arbeiterstadt, die nach Meisterschaften lechzt.