Natürlich kann man sich darüber amüsieren, wie sich Elon Musk und Alice Weidel auf X unterhalten haben. So ist es eben, wenn zwei Menschen, die sich nicht kennen und nichts zu sagen haben, weltöffentlich miteinander plaudern.
Im Gedächtnis bleibt immerhin der Satz aus dem Munde der Kanzlerkandidatin, dass Hitler ein Kommunist gewesen sei. Diese Einschätzung hat sie weltexklusiv. Vermutlich meint sie die Mobilisierung des Staates für die ideologischen Interessen der NSDAP. Hat sie sonst nichts an Hitler auszusetzen?
Der verdiente Shitstorm blieb aus. Eigentlich merkwürdig in einem heraufziehenden Wahlkampf, in dem die Beobachter in Medien und Netz sonst nichts durchgehen lassen. Die Erregungsgesellschaft schien zu schlafen.
Auf das Gesagte kam es offensichtlich gar nicht an. Das Ereignis war das Ereignis und es bestand darin, dass Musk und Weidel überhaupt miteinander redeten. Und darin steckt durchaus einige Bedeutung.
Für deutsche Rechte ist Amerika eigentlich kein Freund. Zu materialistisch, zu oberflächlich, zu viel Gewicht auf Geld, Weltmacht mit wenig Durchblick. In der nationalkonservativen Geschichtsschreibung begab sich das besiegte Deutschland 1949 auf einen Irrweg, indem es sich zu einer europäischen Kopie der Siegermacht herabwürdigte. Deutschland ist seither zu Klein-Amerika geworden, wobei das ursprünglich Deutsche verloren ging. Was damit gemeint ist, bleibt mehr als vage.
Näher liegt nicht nur der AfD Russland. Bei Alexander Gauland ist es das Faible für den überlebensgroßen Reichskanzler Otto von Bismarck, der es verstand, nach den Einigungskriegen mit vielen Kugeln zu jonglieren, ohne sich nach Osten oder Westen festzulegen. Erst seine untauglichen Nachfolger ließen starke Bündnisse gegen das Reich entstehen, mit den bekannten Folgen im Ersten Weltkrieg.
Schlichtere rechte Gemüter sind von Wladimir Putin fasziniert, dem starken Mann, der sich nimmt, was er haben will. Und für Romantiker ist es die Weite des Landes und der Reichtum der russischen Seele, die sie inspiriert.
Nun sind die Vorlieben erstaunlich durcheinander geraten. Dafür sorgt Donald Trump, weil er so ist, wie er ist, und zum Beispiel noch vor Amtsantritt Grönland und Panama (und Kanada) für sich beansprucht. Seine Grundhaltung, dass Amerika zuerst und zuletzt kommt und Bündnisse nach Nutzbarkeit zu behandeln sind, entspricht den Wunschvorstellungen der AfD fürs eigene Land. Auch die Verdammnis für alles Liberale, die sich bei Trump immer wie Vernichtungsphantasien anhört, spricht Alice Weidel, Bernd Höcke usw. aus dem Herzen. Die Folge ist die neue Wertschätzung des Trump-Amerika.
Die AfD ist keineswegs alleine. Giorgia Meloni machte gerade ihre Aufwartung in Mar-el-Lago. Ungewöhnlich für eine amtierende Ministerpräsidentin, dass sie nicht abwarten kann, bis der Gastgeber wieder ins Weiße Haus eingezogen ist. Und Trump macht aus seiner Wertschätzung für Viktor Orbán keinen Hehl. Dazu kommt, das Elon Musk für Nigel Farage herzliche Worte findet, den britischen Nationalisten, der den Brexit vorangetrieben hatte.
Interessante Veränderungen vollziehen sich da. Plötzlich ist Donald Trump der Mentor der europäischen Nationalkonservativen. Wladimir Putin, der Geld springen ließ und Wohlwollen schenkte, ist jetzt weniger gefragt. Die AfD spricht vorsichtiger über Frieden in der Ukraine als Sahra Wagenknecht.
Die europäische Rechte und deren große Freunde in Übersee schauen nun interessiert zu, ob mit Österreich der nächste Dominostein fällt. Bringt Herbert Kickel mit der ÖVP eine Koalition zustande, wofür ja vieles spricht, steigt er zum nächsten Helden auf, der die Aufmerksamkeit von Trump und Musk verdient.
Aus der deutschen Sicht war Österreich ein Land, auf das man folgenlos herabschauen konnte. Burgtheater, ja schon, Salzburg und der Jedermann, auch fein. Bruno Kreisky war eine Größe, aber sonst? Jörg Heider war das trübe Komplementärereignis, eine jüngere Ausgabe von Jean Marie LePen, der laszive Bemerkungen über die Hitler-Zeit fallen ließ. Herbert Kickel war übrigens Haider Redenschreiber.
Zugleich ist Österreich das böse Omen. Die Selbstverstümmelung von ÖVP und der SPÖ sind dort zu besichtigen, ebenso wie die Unmöglichkeit, auf Dauer die stärkste Fraktion, und das ist nun einmal die FPÖ, durch Kunstregierungen von der Macht fernzuhalten.
Ja, soweit ist es in Deutschland noch nicht. Aber das Auseinanderbrechen der Regierung Scholz/Habeck/Lindner ist ein anderes Beispiel für die Unvereinbarkeit des Unvereinbaren. Nun hängt viel davon ab, ob Friedrich Merz am 23. Februar ein gutes Ergebnis erzielt, so dass er eine solide Regierung bilden kann, die sich um das Wesentliche kümmert.
Wäre doch ganz schön, wenn Deutschland Elon Musk, der die AfD für die einzige Rettung hält, widerlegen würde.
Veröffentlicht auf t-online.de, gestern.