Sonnenschein in einer Übermannschaft

Für mich war Pelé der Größte aller Großen. Ich habe ihn bei meiner ersten Weltmeisterschaft spielen sehen, da war er 17, umgeben von Ausnahmekönnern wie Vava und Didi und Zagallo und Garrincha im Sturm. Diese brasilianische Mannschaft war noch besser als die ungarische, die 1956 die Weltmeisterschaft verdient gehabt hätte. Dazu die beiden Santos neben Bellini in der Abwehr, Gilmar im Tor. Sie bildeten eine Übermannschaft, in der Pelé glänzen durfte. Ich kann die Aufstellung jederzeit singen.

Pelé konnte alles und schoß unfassbar viele Tore. Franz Beckenbauer spielte unvergleichlich elegant und war ein Herrscher auf dem Spielfeld. Wenn er einen Mannschaftskameraden nicht leiden konnte, vermochte er Pässe zu spielen, von denen dieser Ungeliebte glaubte, er könnte sie erreichen, erreichte sie aber nicht. Dabei sah er dann aus wie ein Trottel, zu langsam, zu wenig technisch beschlagen. Nicht zufällig erwies sich der Franz auch als vorzüglicher Trainer, der sogar die deutsche Rumpelmannschaft 1990 zu Weltmeisterehren führte.

Johan Cruyff kam Beckenbauer gleich in einer unterschiedlichen Rolle. Dazu formte er Barçelona und Ajax zu den Vereinen, die sie heute sind. Darin liegt der Unterschied von Beckenbauer wie Cruyff zu Pelé, der es zwar zum Sportminister brachte, aber fußballerisch kein Erbe jenseits seiner selbst hinterließ.

Pelé trieb mit seiner Kunstfertigkeit die gegnerischen Spieler und Trainer in den Wahnsinn. Beide revanchierten sich mit einer Jagd auf ihn. Sie wollten ihn ausschalten, sie wollten ihn verletzen und schafften es natürlich auch, 1962. Nichts aber konnte Brasilien aufhalten, eben eine Übermannschaft, auch ohne Pelé. Natürlich gab es einen Trainer, der für die Aufstellung zuständig war, doch wer erinnert sich schon an ihn?

Heute sind selbst die Verteidiger technisch feine Spieler, die noch die schwierigsten Bälle aus der Luft herunter pflücken, so dass sie am Fuß kleben. Damals gab es die klobigen Vorstopper à la Katsche Schwarzenbeck, welche die Aufgabe hatten, begnadete Fußballer wie Beckenbauer vom Grätschen zu entlasten und schon mal begnadete Fußballer wie Pelé abräumten. Erst im Jahr 1970 war er wieder dabei, als sich Brasilen innerhalb von 12 Jahren zum dritten Mal die Weltmeisterschaft holte.

Die Großen sind treu. Pelé spielte immer und ewig für den FC Santos. Beckenbauer spielte immer und ewig für die Bayern. Im Spätherbst ihrer Karrieren erspielten sie sich in New York bei einem Kunstklub namens Cosmos ein paar Millionen, die ihnen gegönnt seien. Beckenbauer tauchte dann noch beim HSV auf, als ich gerade rechtzeitig nach Hamburg gezogen war. Auch betagt blieb es ein Genuss, ihn spielen zu sehen.

Maradona ist die Ausnahme, er war ein Wandervogel. Messi wäre gerne bei Barça geblieben, musste jedoch nach Paris weiterziehen. Cristiano Ronaldo, der seinen Ruhm durch seinen Narzissmus schmälert, spielte in der Blüte seiner Jahre lange In Madrid, bevor er zu Manu zurückkehrte und alle und jeden gegen sich aufbrachte.

Natürlich spielt der Charakter vor allem im Prozess des Alterns die entscheidende Rolle. Pelé war vom Typus Sonnenschein und blieb es bis zuletzt. Beckenbauer suchte sich Frauen aus, die ihn jenseits des Platzes formten und den Spießer zum Weltbürger erzogen. Cruyff prägte sich selber dazu. Maradona war schwach, kokste irgendwann zu viel und endete als sein eigener Schatten. Messi bleibt wohl ewig der bescheidene Junge.

Nun ist Pelé von uns gegangen. In meiner Erinnerung bleibt er für immer dieser sonnige Junge, der das Spielen schuhlos erlernte, und fast im Alleingang die Schweden im Endspiel 1958 schlug, die unsere wunderbare Truppe mit dem 17jährigen Uwe Seeler unverdient im Halbfinale eliminiert hatten.

Friede sei mit Edson Arantes do Nascimento, von uns geliebt als Pelé.