Fabelhafter Fußball

Gestern habe ich schon wieder ein fabelhaftes Fußballspiel gesehen: ManCity gegen Real Madrid. Leidenschaft und. Individuelle Klasse und blindes Verständnis im Zusammenspiel. Großartige Tore und hellsichtige Intuition. Was Vinicius da mit dem Ball gelaufen ist, schneller als jeder nicht gerade langsame Verteidiger, von der Mittellinie bis fast ins Tor gerannt und dann noch die Kaltblütigkeit zum präzisen Schuss: phantastisch. Ich habe von Vinicius bis gestern nicht viel gehalten. Lief sich ständig fast. Übersah Mitspieler. Spielerisch gereift, dank Benzema, der wieder zwei Tore geschossen hat.

ManCity ist eine herrlich spielende Mannschaft. De Bruyne als sagenhafter Beschleuniger, taucht überall auf und übersieht das Spielfeld wie sonst nur Toni Kroos, der sich diesmal mit Abwehrarbeit verschleißen musste. Sie spielen Chancen auf Chancen heraus, vergeben aber zu viele wie sonst nur Borussia Dortmund zu seiner besten Zeit. Gündogan dürfte im Rückspiel dabei sein, für Phil Foden, das Rotbäckchen, das eine große Zukunft hat.

Real Madrid kam nur schwer hinten raus, wie gegen Paris zwei Runden vorher. Alaba blieb verletzt nach der Halbzeit draußen. Ohne ihn war die Abwehr geschwächt, keine Frage. Modrić: diesmal nicht so effektiv, er drehte bisher immer dann auf, wenn Ancelotti meinen Toni aus dem Spiel nahm. Aber diese Mannschaft kann stundenlang unter Beschuss stehen – sobald sich eine Chance ergibt, schlägt Benzema zu.

Sein Elfmeter war eine Frechheit. Alles hing davon ab, ob das Spiel 2:4 oder 3:4 ausgeht und dann chippt dieser Typ den Ball in einem aufreizend langsamen hohen Bogen in die Mitte. Das ist die Höchststrafe für den Torhüter, der hilflos in der rechten Ecke zappelte und zusehen musste, wie sich der Ball in Zeitlupe unter die Latte senkte. Wäre er stehen geblieben, hätte er den Ball mit dem Hut fangen können.

Das Schöne am Chippen ist der Verstoß gegen jede Regel. Du sollst dir eine Ecke aussuchen und dann den Ball so hart wie möglich so nahe wie möglich neben den Pfosten oder unter die Latte donnern. Du kannst den Anlauf verzögern wie Lewandowski, aber du musst so scharf schießen, dass der Torhüter nicht herankommt, selbst wenn er die Ecke ahnt, in die du schießt. Das ist die Regel. So üben sie das Elfmeterschießen im Training. Ancelotti tippte sich entgeistert mit beiden Zeigefingern an beide Seiten seiner Stirn, als könne er es nicht fassen, welches Risiko Benzema bei dieser Eskapade eingegangen war. Er freute sich in diesem Moment nicht, das fand ich seltsam. Offensichtlich war er maßlos überrascht über diese Verwegenheit. Und es stimmt ja auch: Allzu oft sollte dieser Trick, der auf die Demütigung des Torhüters zielt, nicht angewandt werden.

Kaltblütigkeit gehört zum Chippen. Fast grenzenloses Selbstbewusstsein. Und ein sicheres Gespür dafür, dass sich der Torhüter verladen lässt. Die Entscheidung fürs Chippen mit ihrem Verblüffungseffekt kann Auswirkungen auf das weitere Spiel haben. Es kann die gegnerische Mannschaft schwächen, denn nicht nur das blödsinnige Handspiel von Laporte brachte ManCity aus der Fassung, sondern auch diese Lässigkeit, mit der Real Madrid in einem Moment zurückschlug, in dem gerade noch das 5:2 zu fallen schien, derart überlegen war ManCity. Nicht zufällig blieb es beim 4:3. Die Überlegenheit ManCitys hielt an, aber die Präzision fehlte von nun an.

Antonin Panenka erfand diesen Kunstschuss 1976. Er lief schnell an, schoss aber nicht scharf, sondern sanft. Der Ball nimmt einen hohen Bogen, der sich bestimmt mathematisch berechnen lässt. Tor. Der Torwart, der damals hilflos in der Ecke zappelte, hieß Sepp Maier. Das Endspiel um die Europameisterschaft hatte 2:2 geendet. Elfmeterschießen. Bonhof/Flohe/Bongartz treffen. Uli Hoeness – da steht es 4:3 für die Tschechoslowakei (wir sind im Kalten Krieg, die beiden Landesteile gehören noch zusammen) – jagt den Ball in den nächtlichen Himmel. An tritt Panenka und chippt den Ball behutsam in die Mitte. Europameister Tschechoslowakei.

Seitdem heißt dieser Elfmeter nach dem Erfinder der Panenka. Auf YouTube kann man sehen, wer ihn nachgeahmt hat: Zidane/Ibrahimović/Messi/Totti. Eben die Großen.

Jetzt noch was für Feinschmecker: Die deutsche Mannschaft im EM-Endspiel spielte in dieser Aufstellung: Maier/Vogts, Dietz, Schwarzenbeck, Beckenbauer, Bonhof/Wimmer, Hoeness, Beer, Hölzenbein, Müller (Dieter). Dieser Dieter Müller spielte für den 1. FC Köln, stammte aus Offenbach wie Rudi Völler.

Panenka spielte im Mittelfeld für Prag, Rapid Wien, VSE St. Pölten, SK Slovan Wien, ASV Hohenau und Kleinwiesendorf. Seine Karriere begann 1967 (da ist er, Jahrgang 1948) 19 Jahre alt. Sie endete 1993 in Kleinwiesendorf. Für die Nationalmannschaft spielte er 59mal und schoß 17 Tore. Bei der Europameisterschaft 1980 wurde die Tschechoslowakei Dritter. Sie gewann im Elfmeterschießen 9:8 (!!!!) gegen Italien. Europameister wurde Deutschland mit einem 2:1 über Belgien. Horst Hrubesch schoß 2 Tore, das zweite 90 Sekunden vor dem Abpfiff.

Zurück zu ManCity und Real. In der nächsten Woche ist das Rückspiel. Wer auch immer siegt, und ich hoffe auf Toni Kroos, spielt gegen Liverpool im Finale, schätze ich. Und das wird erst ein Spiel zum Niederknien!