Momentan überbieten sich einige Politiker darin, der Ukraine schwere Waffen zu liefern, so dass man sich doch sehr wundern muss. Anton Hofreiter gehört zu den größten Dränglern, selbstverständlich ironiefrei und reflexionslos. Selbstironie wäre angebracht, weil er gestern noch auf einem ganz anderen Dampfer unterwegs war, natürlich im ultimativen Kommandoton, der ihm eigen ist. Und Selbstreflexion könnte er von Robert Habeck lernen, wenn er wollte oder könnte.
Zur neuen Haltung gehört auch, dass jedermann dem Kanzler sofortiges Handeln abverlangt. Viele Leute wissen heute vieles besser und das sehr markig. Hatten wir gestern noch 80 Millionen Bundestrainer, so haben wir heute nicht ganz so viele Bundeskanzler, aber schon sehr viele. Das Reden ist ja auch folgenlos, das Handeln aber nicht. Wäre ganz schön, wenn mancher mal innehielte und sich kantianisch fragen würde, ob die Maxime seines Schwadronierens als Maxime des Handelns taugen könnte.
Schon jetzt sind wir Kriegspartei. Passiv zwar, aber den Unterschied machen ja vielleicht nur wir. Und seltsamerweise gibt der Botschafter der Ukraine den rotzigen Ton vor, dem Politiker à la Hofreiter dankbar aufnehmen. Unter anderen Umständen hätte die deutsche Außenministerin den Botschafter längst ins Amt einbestellen und ihn zur Mäßigung ermahnen müssen. Auch unter den obwaltenden Umständen wäre es nötig, da seine beleidigenden Rundumschläge, diesmal gegen Siegmar Gabriel, längst überhand genommen haben.
Der Bundespräsident hat sich für seine Fehleinschätzungen entschuldigt. Okay. Von Gerhard Schröder haben wir länger nichts mehr gehört oder gesehen. Ist kein Schaden, obwohl eine Erklärung nach dem Besuch bei Wladimir Putin fällig gewesen wäre. Egal, der Absturz des ehemaligen Bundeskanzlers zur persona non grata ist eh beispiellos. Für Entschuldigungen oder dergleichen ist es viel zu spät. Auch alte Freunde sind ratlos. Und die SPD, die schlecht beraten war bei ihrem Feldzug gegen die Agenda 2010, ringt nun die Hände und versucht, Schröder perteimitgliedsmäßig loszuwerden. Der späte Gerhard Schröder teilt das Schicksal des späten Helmut Kohl, inklusive erheblich jüngerer Frau, die sich für PR zuständig fühlt und den letzten Nimbus pulverisiert.
Auch Manuela Schwesig steht unter Rechtfertigungszwang. Die Fouchés dieser Tage werfen ihr den Einsatz für Nord Stream 2 vor. Tatsächlich hat sie getan, was sie tun musste, als Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, dem es an Industrie gebricht. Die Pipeline nach Lubmin fand sie vor, hat sie nicht erfunden und auch nicht der Bundesregierung aufgenötigt, deren Bundeskanzlerin nicht zufällig ihren Wahlbezirk in diesem Bundesland hatte. Wirklich vorzuwerfen bleibt Manuela Schwesig die seltsame Stiftung von Gnaden von Gazprom, doch das war schon der verzweifelte Versuch zu retten, was kaum noch zu retten war.
Wilde Tage. Die Waffen, welche die Ukraine noch nicht hat, erreichen sie wohl kaum noch vor der Offensive in der Ostukraine. Dort findet der reale Krieg statt, den so viele Großstrategen hierzulande nachspielen, unbedacht und fahrlässig.
p.s. Unser Justizminister Buschmann sagt, die Lieferung von Panzern ist kein Kriegseintritt. Ich liebe die Rechtswissenschaft, sie unterscheidet genau, egal wie falsch sie damit liegt.