Mit Real gefreut, mit Chelsea getrauert

Gestern habe ich mir das Rückspiel Chelsea gegen Real angeschaut. Bayern habe ich ignoriert, weil ich mir dachte, die machen das schon, die rächen sich, kommen eh weiter. Das interessantere Spiel war nun mal Tuchel gegen Ancelotti, Havertz/Werner/Rüdiger gegen Kroos/Alaba. Ich wusste gar nicht, zu wem ich halten sollte, was mir wirklich selten passiert. Ich finde Thomas Tuchel großartig und werde es Aki Watzke ewig nachtragen, dass er ihm kündigte – nach dem Pokalsieg, nach einer wirklich guten Saison mit einem entscheidend geschwächten Kader.

Beim Hinspiel hatte mir Real imponiert und der Sieg war gerecht, wenn auch der schreckliche Fehler von Torwart Mendy ein Tor mehr bescherte, als gerecht gewesen wäre, aber so ist Fußball eben, Fehler werden sofort bestraft. Und genau dieses Tor führte am Ende zum Ausscheiden Chelseas.

Auch das Rückspiel zeigte Fußball in Reinkultur. Zwei großartige Trainer, zwei großartige Mannschaften. Technik und Leidenschaft. Taktik und explosiver Individualismus. Auch beim 3:0 fühlte ich mich noch nicht sicher, denn diesmal hielt ich zu Chelsea, das das Spiel so beherrschte wie Real das in Chelsea beherrscht hatte. Selbst als das 3:2 in der Verlängerung fiel, hinreißender Kopfball von Benzema, war noch nichts entschieden. In den letzten beiden Minuten hätte Chelsea zwei Tore schießen können. Unbedingt köpfte Havertz knapp an der Latte vorbei und dann schoss, ich glaube Mount, auch unbedrängt, aus sieben Metern neben das Tor.

Das Besondere an diesem Spiel waren die Alten. Kroos, 32, brillierte und war verständlicherweise sauer, als Ancelotti ihn in der 72. Minute auswechselte, wobei der junge Franzose Camavinga zeigte, dass er irgendwann Kroos ersetzen kann. Dann Benzema, 34: besser als Lewandowski. Und über allen Modrić, 36, der auf einzigartige Weise das Spiel macht, wenn Kroos draußen ist. Dieser Pass über 30 Meter mit dem Außenriss in Rodrygos Lauf: unfassbar!

Tuchel hatte seine Mannschaft blendend eingestellt. Werner rechtfertigte sein Vertrauen. Havertz: elegant wie immer, aber der Kopfball muss drin sein. Rüdiger: kraftvoll, ein herrliches Tor, aber vor Benzemas Kopfball rutscht er im Strafraum aus.

Auch Ancelotti imponiert mir. Immer ruhig, immer cool, auch beim 0:3, auch im Sieg. Was Zidane mit dieser Mannschaft nicht mehr gelang, nämlich das Optimale aus ihr herauszuholen, geling Ancelotti.

Endlich mal ein Fußballspiel, das anzuschauen eine reine Freude war. Am Ende habe ich mich mit Real gefreut und mit Chelsea getrauert.

Dazu passt doch, dass der Kleinstadtklub Villareal den großen FC Bayern besiegt hat. Nicht, dass ich die Niederlage nicht schade fände, aber die ewige Angeberei, die Nagelsmann nicht teilt, muss ab und zu bestraft werden, oder?