Isch over! Isch over?

Auf Netflix gibt es die Serie „Designated Survivor“, den Kiefer Southerland spielt. Er ist ein netter Kerl, anständig und zu wenig machtbewusst, um mehr als ein unbedeutendes Mitglied im Kabinett des Präsidenten zu sein. Austauschbar. Zweitrangig. Während alle wichtigen Menschen im Weißen Haus und in den Ministerien im Capitol versammelt sind, harrt er aus im Weißen Haus für den Fall, dass etwas passiert – organisiert als Überlebender, wie es die Verfassung vorsieht. Und es passiert etwas, ein Anschlag, eine mörderische Explosion, ein Akt des Terrorismus, dem das gesamte Establishment zum Opfer fällt. Worauf der nette Kerl Präsident sein muss und das Machtbewusstsein in sich entdeckt, selbstverständlich nur aus Redlichkeit, aus Patriotismus.

So etwas Schlichtes, so etwas Plattes wie einen Sturm aufs Kapitol von Amerikanern mit Flagge und Trump-Plakaten wäre keinem der phantastischen Drehbuchschreibern eingefallen, die wunderbare Serien aus sentimentaler Phantasie schreiben. Jungs, die Fassaden hochklettern und Fenster einschlagen. Abgeordnete, die sich im Sitzungssaal verbarrikadieren. Leibwächter mit gezogener Waffe an der Tür. Ein Vizepräsident, der von Sicherheitsleuten in Sicherheit bugsiert wird. Stundenlange Belagerung drinnen und draußen.

Das FBI untersteht dem Justizminister. Die Nationalgarde untersteht dem Präsidenten. Die Capitol Police untersteht dem Kongress. Die Metropolitan Police darf nur Hilfsdienste leisten. Das Kapitol ist Bundesgebiet. Der Präsident tätschelt die Belagerer: We love you, you are very special. Der Verteidigungsminister kontaktiert den Vizepräsidenten im Versteck und dann endlich wird die Nationalgarde alarmiert. Und stundenlang diese Fernsehbilder von den Stufen des Kapitals, auf denen Trump-Anhänger in aller Ruhe stehen und sich unterhalten und die Macht genießen, die sie sich unter dem Beifall des Präsidenten genommen haben.

Was nun?

  1. Pence macht ernst und sorgt dafür, dass der Präsident abgesetzt wird, da er den Mob aufgewiegelt hat, vors Kapitol geschickt hat und damit politisch für den Irrsinn verantwortlich ist.
  2. Es gibt einen Massenexodus aus dem Weißen Haus, weil Trumps Mitarbeiter befürchten müssen: mitgefangen mitgehangen.
  3. Trump verlässt das Weiße Haus, weil ihm nur noch Figuren wie Rudy Giuliani bleiben, während das republikanische Establishment, gedemütigt bis auf die Knochen, sich nun doch tatsächlich in Scharen von ihm lossagt. Wenn Lindsay Graham und Mitch McConnell markige Worte über die Vorgänge am Mittwochnachmittag finden, selbstverständliche ohne Nennung des Verantwortlichen, ist Ende angesagt. Isch over.
  4. Trump wird wegen Aufwiegelung und Anstiftung zum Sturm aufs Kapitol verhaftet. Im Land brechen überall Folgeunruhen aus, weil der tiefe Staat, von dem Trump gefaselt hat, dem Wahnsinn ein Ende macht.
  5. Die Belagerer landen reihenweise vor Gericht, weil sie dumm genug waren, ihr Gesicht in die Handys zu halten.
  6. Es passiert gar nichts. Trump röhrt weiter, eben nicht mehr auf Twitter, sondern auf anderen Kanälen. Am 19. Januar verlässt er unter Absingen hässlicher Lieder das Weiße Haus, in das Joseph Biden jr. ohne den üblichen Pomp und Circumstances einzieht.
  7. Nach dem 20. Januar, nicht mehr immuner Präsident, kommt Donald Trump vor Gericht: wegen Aufwiegelung, wegen Steuerhinterziehung, wegen Behinderung der Justiz etc. Mit ihm Rudy Guiliani et altera.

Schau mer mal.