Heute vor 50 Jahren starb John Allen Hendrix, den seit Vater später in James Marshall umbenannte, ehe er einfach zu Jimi wurde. Ein furchtbar trauriges Leben, die Mutter früh an ihrem Alkoholismus gestorben, der Vater nicht viel besser. Aufwachsen in Armut und Haltlosigkeit. Die Eltern ließen sich scheiden, Jimi wurde herumgereicht, lebte bei seiner Großmutter und dann wieder beim Vater und wieder bei irgendjemanden. Als seine Mutter 1958 starb, weigerte sich sein Vater, ihn zur Beerdigung mitzunehmen. Er gab ihm Whiskey und sagte ihm, er solle gefälligst wie ein Mann mit dem Verlust umgehen. Da war Jimi 16.
Mit einer Mundharmonika begann es, da war er 4 Jahre alt. In der Schule fiel er damit auf, dass er auf einen Besen einen Gitarristen imitierte. Sein Vater dachte gar nicht daran, ihm eine Gitarre zu kaufen; wahrscheinlich hatte er dafür einfach kein Geld. Eine Sozialarbeiterin sah, was in dem Jungen vor sich ging, und bat die Schule, die einen Fonds für unterprivilegierte Kinder besaß, um Hilfe. Abgelehnt.. Im Müll fand Jimi eine Ukulele, lernte nach Gehör, spielte die Lieder von Elvis Presley. Endlich kaufte ihm sein Vater, für 5 Dollar, eine gebrauchte akustische Gitarre, auf der Jimi die Saiten verkehrt herum aufzog, er war ja Linkshänder.
Nichts an diesem Leben war auch nur entfernt leicht. Jimi Hendrix war schüchtern und mit dem Ruhm kamen die Drogen, zuerst nur Haschisch, dann LSD, dazu Alkohol und Tabletten, der ganze Höllenmix. Ihm blieben nur wenige Jahre mit Der Jimi Hendrix Experience. Er war 27 Jahre alt, als er in London starb. Er trug einen in Rotwein getränkten Schal um den Hals, hatte am Abend vieles von allem eingeworfen und erstickte an seinem Erbrochenen.
Was für ein trauriges Leben. Was für eine fabelhafte Musik.
Ich höre fast täglich „All along the watchtower“. Bob Dylan, der große Überlebende, schrieb den Text. Keiner singt ihn so vollendet, so selbstverständlich wie Jimi Hendrix, der früh Verströmte. There musst be some way outta here/Said the joker to the thief/There’s too much confusion/I can’t get no relief. Wer würde bei diesen Zeilen nicht an dieses Leben denken, an das verstörte Kind, den verstörten Sänger, den genialen Gitarristen mit dem Tremolohebel, den einzigartigen Effektkünstler. „The Star Spargeld Banner“ zersägt die amerikanische Hymne. Das war sein Kommentar zum Vietnamkrieg, das ist ein Kommentar zur Tram-Gegenwart.
Ich habe Jimi Hendrix am 16. Januar 1969 in Nürnberg gesehen, in der Messehalle, in der sonst Symphonieorchester auftraten. Wir waren zu viert gekommen, mein Freund Walter fuhr einen alten Mercedes, den er einem Begräbnisunternehmen abgekauft hatte. Wir waren früh in der Halle, wir saßen natürlich auf nummerierten Plätzen, damals saß man auch bei Rock-Konzerten. Ich war heillos aufgeregt. Jeder von uns war heillos aufgeregt. Wir sahen zu, wie die Roadies zwei Schlagzeuge aufbauten und vor jede Trommel mindestens ein Mikrophon stellten. Dann kam der winzige Mitch Mitchell auf die Bühne und setzte sich mitten in diesen Wald. Auch er war ein Autodiktat, die kongeniale Ergänzung für Hendrix am Schlagzeug. Er starb 2008 mit 61.
Noel Redding war eigentlich Gitarrist, schulte zum Bassisten um. Was wir über die drei Jahre wissen, in denen es die Jimi Hendrix Experience gab, wissen wir aus seiner Biographie „Are You Experienced“. Die Drei seien in jeder Hinsicht unerfahren gewesen und seien von Anwälten und Managern ausgenommen worden.
Als in der Messehalle Jimi Hendrix auf die Bühne kam und seine Gitarre stimmte, brach ein Höllenjubel los. Jimi schaute ins Publikum, zögerte kurz, ging vor ans Mikrophon und sagte: Wenn ihr hier seid, um herum zu schreien, dann ist das in Ordnung. Wenn ihr aber hier seid, um unsere Musik zu hören, dann schreit nicht so rum.
Sehr seltsam. Brav wie wir waren, verstummte der Lärm. Sie begannen mit „Hey Joe“, natürlich, darauf „Purple Haze“ und die wunderbaren Lied für seine verflossene Liebe Kathy Etchingham: „The Wind Cries Mary“ und „Fox Lady“.
Wir wussten nichts von der Melancholie, vom unglücklichen Bewusstsein, vom trostlosen Leben, von der Selbstzerstörung, von Drogen und Alkohol und Tabletten. Wir hörten die Musik, wir lebten in der Popkultur, sie prägte uns. Jimi Hendrix und Janis Joplin, Brian Jones und Janis Joplin waren plötzlich tot, irrwitzigerweise jeder von ihnen 27 Jahre alt. Was passierte da? Was war in ihrem Leben los? Warum pumpten sie sich voll?
Wir fanden keine Antworten. Es war einfach so. Ihre Musik war wichtig für uns. Ihr Tod fast ein Verrat an uns. Egal. Unser Leben ging weiter