Was Persönliches zu Goethe

Heute ist Goethes Geburtstag. 1749 geboren, wird er also 271 Jahre alt. Nichts Rundes, dieses Jahr gehört Beethoven und Hegel, beide geprägt durch die Französische Revolution.

Ich will was Kleines zu diesem Großen beitragen, was Persönliches. Zu Goethe fallen mir zwei Gedichte ein, die ich mir ab und zu aufsage, wenn ich nicht einschlafen kann. „An den Mond“ war wichtig in meinem Studium, weil ich auf ein Referat eine 1 bekam und fasziniert war von diesen Zeilen: Selig wer sich vor der Welt ohne Hass verschließt, / Einen Freund am Busen hält, / Und mit dem genießt, / Was von Menschen nicht gewußt / Oder nicht bedacht, / Durch das Labyrinth der Brust / Wandelt in der Nacht.

Was von Menschen nicht gewußt oder nicht bedacht: Goethe schrieb das Gedicht wohl mit 27 und veröffentlichte es mit 28. Freud entdeckte das Unbewusste, das im Labyrinth des Gemüts waltet, mehr als 100 Jahre später. Goethe hat ihn antizipiert. Nicht schlecht. Mir hat er damit imponiert. Nebenbei gesagt versteht man Freuds dunkle Theorie durch Goethe sogar besser.

Das zweite Gedicht, das ich liebe, trägt den Titel: „Willkommen und Abschied“. Es gehört zu den Sesenheimer Liedern. Sesenheim deshalb, weil dort Friederike von Brion lebte, die Pfarrerstochter, die ihn vermutlich mehr liebte als er sie. Erschienen erstmals 1771, da war unser aller Goethe 22 Jahre alt. Die endgültige Fassung, weit besser, bekam das Poem, genauso wie „An den Mond“, in den achtziger Jahre nach der Rückkehr aus Italien. Wieder geht es um die Rückwirkung der Liebe auf das Gemüt, diesmal jubilierend.

Als meine Tochter knapp 3 Jahre alt war, kam meine Frau auf die Idee, dass ich, anstatt ihr abends vorzulesen, meine Gedichte vortragen sollte. Das habe ich gemacht und nach einiger Zeit immer das letzte Wort jeder Verszeile weggelassen, das dieses kleine Mädchen dann prompt ergänzte. Nach wieder einiger Zeit habe ich nur noch die ersten Worte gesagt und Antonia hat das Gedicht zu Ende erzählt. „Welch Glück geliebt zu werden / Und lieben, Götter, welch ein Glück“ hat sie dann ähnlich dramatisch rezitiert wie ich, aber herzerwärmend, wie nur Kinder das vermögen.

Neulich unterhielten wir uns über diese frühen Übungen in Poetik. Sie sagte, sie habe nichts verstanden, kein Wunder, kann aber heute noch etliche der abendlich vorgetragenen Gedichte wie das amüsante „Zahnweh“ von Wilhelm Busch oder das fabelhafte „Karussell“ von Rilke und eben das suggestive „An den Mond“. Der Sinn für Poesie ist ihr geblieben, wie schön.

Wenn zwei Gedichte zwei Gemüter bewegen, 271 Jahre später, dann kann man sich nur verneigen. Happy birthday, JW.