Da die meisten Deutschen momentan im Urlaub sind, schreibe ich mal eine Kolumne in Form eines Briefes, in dem stehen soll, was sich zu Hause tut. Manchmal ist es ja gut, wenn einer durchflöht, was wichtig ist und was nicht. Also los geht’s:

Liebe Corona-Urlauber, wo auch immer Sie sein mögen, daheim bleibt alles beim Alten, keine Sorge. Die Kanzlerin hält Europa zusammen, ziemlich schwierig, aber sie kriegt das hin. Die SPD ist, na ja, eben die SPD. Und die CDU bleibt interessant, weil sie immer noch weit oben in den Umfragen ist.

Ein paar Heimkehrer sind gerade positiv getestet worden, 70 von 25 000. Die Zahl muss man aus einem einfachen Grund ernst nehmen: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Uns geht es ja gold, verglichen mit Spanien, wo Sie vielleicht gerade sind, zum Beispiel auf den Balearen. Und die Angst vor der zweiten Welle ist vermutlich die beste Vorkehrung gegen die zweite Welle.

Im neuen „Spiegel“ habe ich für Sie ein Interview mit Rolf Mützenich gelesen, das ist der Fraktionsvorsitzenden der SPD. An Langeweile schwer zu überbieten. Was will er uns sagen? Zum Beispiel dies: Ich bin wichtig, ich bin auch noch da, überseht mich gefälligst nicht. Lesen kann auch vertane Lebenszeit sein. Kleiner Tip: Den Namen Mützenich müssen Sie sich nicht groß merken.

Mit der SPD ist es ja so: Sie ist wie ein Karussell, sie kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel. Auch die beiden anderen Großpolitiker Esken/Walter- Bojans (ehrlich gesagt muss ich die Namen jedesmal erst nachschauen) wollen möglichst im Gespräch bleiben, egal wie und auch egal wie die SPD da steht. Dass sie vielleicht auch deshalb so schlecht dran ist, wie sie es ist, weil die Führung so ist, wie sie ist, kommt ihr nicht in den Sinn. Sie könnte die Große Koalition loben, weil sie das Notwendige zuverlässig erledigt. Geht aber nicht, denn die Drei wollen ja raus aus der Regierung. Drin ist Olaf Scholz, den sie früher oder später zu ihrem Spitzenkandidaten ausrufen müssen. Ist überfällig und bleibt es auch noch länger, weil er eben nun mal drin ist in der Regierung.

Stimmt schon, Nachfolgeregelungen gehören zum Schwierigsten, nicht nur in der Politik. Die SPD bringt, wie Sie aus Erfahrung wissen, Hingabe und Machtvergessenheit auf. Nichts Neues also unter der Sonne. Der Zufall will es, dass sich die CDU auch eine neue Führung geben muss. Neu ist nur, dass sie länger braucht, als ihr lieb sein kann, was unter anderem heißt, dass es ihr an Machtversessenheit fehlt.

Selbstrefenteriell nennen klügere Leute als ich solche Phasen, in den sich Menschen oder Organisationen mit sich selber beschäftigen und die Wirklichkeit aus den Augen verlieren. Dann betreiben sie Nabelschau, beobachten ihre Gefühle und hegen die Illusion, sie könnten sich neu erfinden. Können sie natürlich nicht. Können Sie und ich ja auch nicht.

Was wir alle aber können ist dies: Den Befindlichkeitswahn hinter uns lassen. Macht ja auf Dauer keinen Spaß. Womit wir zur CDU kommen, die sich ebenfalls müht und quält und nach einem Ausweg sucht.

Von Jens Spahn hieß es vor ein paar Tagen, er könne sich selbständig machen, nicht mehr gemeinsam mit Armin Laschet antreten, sondern auf eigene Rechnung. Glaube ich nicht, ist zu spät dafür, außerdem hat der gute Jens viel mehr Zeit als jeder andere. Also bleibt es bei dem Gespann Laschet/Spahn, das wie nebenbei bedeutet: Schafft es Laschet zum Kanzler, ist Spahn irgendwann sein Nachfolger.

Die beiden anderen Kandidaten sind Versehrte. Verwundet von der Kanzlerin. Norbert Röttgen hat sie mal als Minister entfernt. Friedrich Merz vor Jahr und Tag um den Fraktionsvorsitz gebracht. Kleine Wette: Röttgen quittiert in absehbarer Zeit still und leise, natürlich mit Aussicht auf Kompensation. Merz bleibt im Rennen, da er sich für eine weitere Niederlage nicht zu schade ist.

Am Ende bleiben in der Union zwei übrig, von denen der eine momentan unterschätzt wird, während der andere überschätzt wird. Der Unterschätzte regiert Nordrhein-Westfalen, der Überschätzte Bayern. Laschet will Vorsitzender und Kanzlerkandidat werden. Söder will in Bayern bleiben. Sagt er. Meint er nicht. Aber hinterher kann er sagen, er hat es immer so gemeint. Oder er sagt, ich will ja nicht, aber der Ruf ertönt dermaßen laut, dass ich gar nicht anders kann, obwohl ich nicht wollte. Strategisch gesehen hält er sich alle Optionen offen, was immer gut ist.

Laschet ist in der Defensive, das weiß jeder. Vorige Woche meldete sich der getreue Herbert Reuel, der einen guten Job als Innenminister macht, zu Wort. Er ließ fallen, dass dieses angeblich so tolle Krisenmanagement in Bayern gar nicht so toll ist. Jetzt ist es nur eine Frage von Tagen, bis sich da jemand aus Bayern rührt und sagt, dass Laschets Krisenmanagement gar nichts taugt. Können Sie drauf wetten!

Lieber Leser, legen Sie sich in die Sonne, genießen Sie kühle Getränke, bauen Sie Sandburgen mit den Kindern. Zu Hause regiert die Kanzlerin mit ruhiger Hand, hält den Laden zusammen, ihre Partei ganz oben, relativiert mit ihrer Nüchternheit den emsigen Söder und den quirligen Laschet. Kommen Sie gut und zuversichtlich zurück nach Hause. Wie unsereObsthändlerin auf dem Markt so schön sagt: Bleiben Sie gesund und: demokratisch.

Veröffentlicht auf t-online, gestern