Am Donnerstag soll Xi Jinping im südkoreanischen Gyeongju auf Donald Trump treffen. Dort tagt die „Asiatisch-Pazifische Wirtschaftskooperation“, ein Zusammenschluss aus 21 Ländern, zu denen China und Amerika gehören. Mit Prognosen, ob es bei der Verabredung bleiben wird, sollte man vorsichtig sein, siehe Putin.
Die alte und die neue Supermacht tauschen seit längerer Zeit Unfreundlichkeiten aus. Sie werfen einander Doppelmoral und Zynismus vor. China sei schwach, sagte US-Finanzminister Scott Bessent abfällig. Amerika sei nur noch ein Papiertiger, heißt es in Peking. China und die USA reden übereinander, nicht miteinander.
Der Handelskrieg zwischen China und den USA führt zu astronomischen Zöllen, die sich natürlich auch anderweitig auf dem Weltmarkt niederschlagen. So steht VW vor Kurzarbeit, weil China den Export seltener Erden, unersetzbar für Autos, erheblich einschränkt. Im Gegenzug droht Amerika mit noch höheren Finanzzöllen und begrenzt den Export von Hightech-Gütern.
Selbstverständlich wiegt sich Donald Trump im Glauben, dass nur er den Handelskrieg gewinnen kann, den er angezettelt hat. Aus seiner Sicht und auch aus Xis Sicht, ereignet sich auf diesem Feld aber noch mehr als ein wirtschaftliches Kräftemessen. Gegenüber stehen sich zwei Supermächte, die sich im Systemwettbewerb befinden, der auch politische und militärische Tragweite besitzt, Stichwort Taiwan. Dabei hat China offenkundig den langen Atem, während der US-Präsident Kurzatmigkeit für seine Stärke erachtet.
Aber wer ist im Handelskrieg überlegen? Hat Finanzminister Bessent recht?
Hat er nicht, denn es sieht ganz danach aus, dass China am längeren Hebel sitzt. Diese Erfahrung macht der fürs Eskalieren berüchtigte Donald Trump gerade schmerzlich. Das größere Interesse an einer Eindämmung liegt momentan eindeutig bei ihm.
Xi hat Trump nämlich an einem empfindlichen Punkt getroffen. China ist das weltgrößte Importland für Sojabohnen. Viele US-Farmer leben davon, dass sie ihre Hülsenfrüchte nach Asien verkaufen. China verwendet sie hauptsächlich als Futtermittel in der Massentierhaltung. Nun aber hat Xi den Import erheblich reduzieren lassen. Darunter leiden die amerikanischen Farmer im Mittelwesten. Indes gleicht China den Ausfall mit zusätzlichen Importen aus Argentinien und vor allem Brasilien aus.
Eine Einparteiendiktatur von dieser Größe und Reichweite kann schneller umlenken als ein verwundbarer Präsident mit Tendenz zum Alleinherrscher. Dabei fallen immer wieder die Umsicht und Entschlossenheit auf, mit der Xi Jinping im Handelskrieg vorgeht.
Sojabohnen hat er nicht zufällig ausgewählt, um Provokation mit Provokation zu beantworten. Der amerikanische Mittelwesten ist Trump-Kernland. Die Farmer vertrauen darauf, dass ihr Präsident ihre Interessen wahrt. Gelingt es ihm in Südkorea aber nicht, eine Einigung über die Wiederaufnahme des Exports zu erzielen, wird ein Gutteil der Farmer pleite gehen. Sie könnten Trump die Schuld geben und es ihn womöglich bei den nächsten Wahlen spüren lassen. Kein Zweifel, dass der Präsident in Südkorea klein beigeben muss.
China hat Übung im Handelskrieg. Wie Trump lässt Xi den Konflikt eskalieren und übt Vergeltung für Sanktionen nach Bedarf. So widersteht China dem Druck Amerikas und schlägt geschickt zurück. China hat das, was unter Experten die „Eskalations-Dominanz“ genannt wird – in der Auseinandersetzung hält das Riesenreich die besseren Trümpfe in der Hand. Zu diesem Vorteil trägt allerdings auch Trump mit seinem Wankelmut bei.
Zum Beispiel zog er im April eine ganze Serie von Zöllen sofort zurück, als Wall Street negativ reagierte. Als China Zölle erhöhte, drohte Trump mit 100-Prozent-Zöllen, um kurz darauf einen Rückzieher zu machen. Seine Illusion, er werde ein weitgehendes Embargo über China wegen der seltenen Erden verhängen, platzt von selber, weil Amerika noch mehr als China darunter litte.
Wegen dieser Labilität nennen ihn Trump-Verächter den „Taco-Man“. Das Kürzel steht für „Trump always chickens out“ – Trump zieht immer den Schwanz ein.
Was mag wohl Xi von diesem Hin und Her halten, stets im Ton absoluter Überzeugung vorgetragen? Nimmt er Amerika ernst? Ermutigt ihn der Handelskrieg, der ja schon länger anhält?
Was in Amerika der Mikrochip-Krieg genannt wird, läuft seit 2018, als Trump erstmals Präsident war. Damals begann er damit, Exportzölle für Halbleiterfirmen zu verhängen, die ihre Produkte nach China verkaufen wollten. Mit diesen Sanktionen wollte er Chinas Ambition blockieren, eine eigene Chip-Industrie aufzubauen.
Anstatt sich behindern zu lassen, spornten die Sanktionen China erst recht an. Xi hoffte darauf, dass heimische Firmen mit Hardware gelingt, was ihnen mit Software schon gelungen ist. Ihre Innovationen sollen sich an Amerikas Eingriffsmöglichkeiten vorbei entwickeln.
Im Januar 2025 überraschte DeepSeek, eine chinesische Software-Firma, die Welt mit einem KI-Modell, das der westlichen Konkurrenz ebenbürtig war, obwohl es lediglich mit einem Bruchteil der Rechnerleistung trainiert worden war. Die Frage sei, schreibt der britische „Economist“, ob China daraus eine eigenständige und wettbewerbsfähigen KI-Industrie machen könne..
Der Handelskrieg hat Xi und die Kommunistische Partei gestärkt. Zwar ist wahr, dass China große ökonomische Probleme auf dem Immobiliensektor hat. Auch der schwache Binnenmarkt und fehlgeleitetes Kapital in der Industriepolitik wiegen schwer. Aber für viele Chinesen ist wichtiger, dass ihr Land im Handelskrieg standhält und dabei ist, eine tech-industrielle Supermacht zu werden.
Wenn sich Xi und Trump in Südkorea treffen sollten, werden sie vielleicht mal wieder Freundlichkeiten austauschen. Sie könnte eine Pause im Handelskrieg einlegen, so dass Sojabohnen und seltene Erden wieder in größerem Maße importiert werden dürfen, was auch für die deutsche Autoindustrie eine Wohltat wäre.
Was aber bleibt, ist die trübe Aussicht, dass ökonomische Macht nach Belieben als Waffe im Systemwettstreit einsetzbar ist.
Veröffentlicht auf t-online.de, heute.