Einer, dem die Welt zu Füßen liegt

Man kennt das aus Filmen. Ein Attentäter trifft seine Vorbereitungen, denn er will den Präsidenten töten. Er kauft sich eine 1,50 Meter hohe Leiter, die er in seinem Hyundai Sonata unterbringt. Das Schulterstück des Gewehrs lässt sich zusammenklappen und passt so in seinen Rücksack. Der Entfernungsmesser, den er einsteckt, ist unabdingbar für die Feineinstellung auf das Ziel. 

Thomas Mattew Crooks hieß der Attentäter, der heute vor einem Jahr, am 13. Juli 2024, durch einen Belüftungsschacht auf ein schräges Dach stieg. Knapp eine Stunde, bevor er auf Donald Trump schoss, fiel er dem Secret Service erstmals auf. Um 17.52 Uhr sichteten sie ihn, aber ein Baum und die Schräge des Daches behinderte die freie Sicht. Ironischerweise waren unten im Gebäude drei Scharfschützen der Polizei postiert. Sie kamen nicht auf die Idee, das Dach zu inspizieren.

Kurz nach 18 Uhr schoss Cross aus 120 Meter Entfernung mit Kugeln vom Kaliber 5,56 mm. Er traf Donald Trump am linken Ohr, eine Bewegung nach vorne ließ ihn überleben. Ein Besucher der Kundgebung in Butler im Bundesstaat Pennsylvania starb. Den Attentäter erschoss der Secret Service.

Was bleibt, ist dieses ikonographische Foto, das den blutverschmierten Präsidenten, flankiert von einer US-Flagge, mit erhobener Faust zeigt. Mich kriegt ihr nicht, ist die Botschaft dieser Geste, denn ich bin größer als ihr. Hinterher wird er sagen, dass Gott ihn zum Überleben bestimmt hat. Seine Jünger schwadronieren mit seiner Erlaubnis darüber, dass Präsident Joe Biden den Mordbefehl erteilt habe.

Man kann sagen, dass für Donald Trump an diesem 13. Juli 2024 mit dem überstandenen Anschlag auf sein Leben die Glückssträhne begann, die ihn heute noch trägt. Der Triumph über Karmala Harris fiel klarer aus als erwartet. In beiden Häusern des Kongresses besitzt die Republikanische Partei, die aus Gefolgsleuten des Präsidenten besteht, die Mehrheit. 

Trump regiert nach Belieben. Er bekommt, was er will. Er zieht gegen Anwaltsfirmen, die gegen ihn geklagt hatten, vor Gericht und nötigt ihnen Millionen Dollar für seine Bibliothek ab, die er nach der Amtszeit einrichten wird. Er jagt illegale Einwanderer außer Landes oder nach Guantanamo, die Arbeiten verrichteten, die sonst keiner verrichten wollte. Er erhebt Zölle, verschiebt deren Einführung und droht mit mehr. Er erpresst jeden und alle.

Persönliches verknüpft er schamlos mit dem Amt, Geschäft mit Außenpolitik. Seine Söhne und sein Schwiegersohn legen Golfplätze an und ziehen Hochhäuser am Golf hoch, nachdem der Patron politische Deals abgeschlossen hatte. Korruption? Was denn sonst. David Frum, der mal Redenschreiber des Präsidenten George W. Bush gewesen war, nennt ihn „den Mafia-Präsidenten“.

Kein Zweifel, auf Donald Trump scheint die Sonne. Die Welt, mit Ausnahme Chinas und Russlands, liegt ihm zu Füßen. Amerika ist in rasantem Tempo dabei, zur Aristokratie des Hauses Trump zu werden.

Ihm gelingt, was er sich vorgenommen hat. Ihm gestehen die anderen Staats- und Regierungschefs Aufmerksamkeiten zu, die über Schmeicheleien hinausgehen. Er zerlegt Bündnisse und behandelt Freunde wie Feinde. Fehlt nur noch der Friedensnobelpreis, den Barack Obama bekam.

Geht das immer so weiter? Oder bricht die Glückssträhne, die seit dem 13. Juli 2024 anhält, doch irgendwann ab?

Für normale Präsidenten hört zumeist die schönste Phase ihrer Amtszeit nach zwei Jahren bei den Zwischenwahlen auf. Dabei nimmt das Land zumeist Korrekturen vor, so dass entweder im Senat oder im Repräsentantenhaus oder sogar in beiden die Mehrheiten wechseln, in diesem Fall zu den Demokraten.

Donald Trump ist aber kein normaler Präsident. Seine Verächter befürchten, dass er sich rechtzeitig etwas einfallen lassen wird, um die Wahlen zu manipulieren. Kann sein, muss aber nicht sein. Amerika hat sich schon öfter irrwitzige Einlagen über einige Jahre  hinweg geleistet, aber bisher immer rechtzeitig dafür gesorgt, dass die Demokratie über den Versuch, sie auszuhebeln, obsiegte. Auch diesmal?

Kein Zweifel, momentan ist kein Kraut gegen Trump gewachsen. Aber vielleicht werden wir uns irgendwann mal über ihn amüsieren, Grund genug gibt er uns ja. Das schmale Mündchen, die Zementfriseur mit diesen wenigen Haaren, die kindliche Sprechweise, der Florida-Teint: Ist schon komisch, nicht wahr, lädt zum Belächeln ein, auch wenn uns das Lachen jetzt noch im Hals stecken bleibt.

Bis Donald Trump das Glück verlässt und er mehrere Gänge zurückschaltet, kann er noch viel Unheil anrichten, das ihn überdauern wird, schon wahr. Hoffen wir auf die Selbstkorrektur des Amerika, das wir von früher kennen.

Veröffentlicht auf t-online.de, gestern.