Der FC Bayern hat geruht, den Trainer zu entlassen. Die Vereinsführung um Oliver Rolf Kahn ertrug es nicht, dass Julian Nagelsmann in Leverkusen verlor. Das Argument lautet so: Der hervorragende Kader sei Wankelmut und Unstetheit anheimgefallen, was nicht am Kader gelegen habe, sondern am Trainer. Die Sport-Redaktion der „Süddeutschen Zeitung“ brachte es in ihrem Manierismus fertig, einen Zusammenhang zwischen der changierenden Kleidung des Trainers und der Unbeständigkeit der Mannschaft herzustellen, eine feine intellektuelle Leistung. Auf diese Beobachtung kommt nicht jeder. m
Schauen wir uns deshalb doch mal den herausragenden Kader an: Upamecano und Pavard verursachten zwei Elfmeter in Leverkusen. Wenn es ein Sinnbild für das Auf und Ab des FCB gibt, dann ist das Upamecano, der eine großartige Gabe besitzt, aber immer gut für einen Elfmeter ist. Damit erinnert er mich an Jérōme Boateng, der in seinen jungen Jahren auch so eine loose cannon war. Weiter: Alphonso Davies: irrwitzig schnell, im Vorwärtsdrang manchmal grandios, als reiner Verteidiger eher Durchschnitt. Er wiederum erinnert mich an Achraf Hakimi, den eben deshalb der auch junge Trainer Edin Terzić beim BVB ins Mittelfeld stellte. Oder Sané und Gnabry: Sind womöglich ewige Talente, weil sie nicht erwachsen werden. Gnabry experimentiert mit seinen Frisuren und wirkt auf mich wie jemand, der sich beständig im Spiegel beobachtet. Sané, der sein Gesicht mit Härchen umrankt, ist auch so ein Spieler, der zwischen Atemberaubend und Sinnlos hin und her schwankt. Oder Mané: Kann gut sein, dass er gar nicht richtig in diese Mannschaft passt. Choupo-Moting wiederum ist das beste Beispiel für das Auge eines richtig guten Trainers. Dass er in Leverkusen verletzt ausfiel, brachte das Mannschaftsgefüge durcheinander und trug zum Mangel an Durchschlagskraft bei.
Ja, Nagelsmann hat Fehler gemacht. Öffentliche Massregelung einzelner Spieler fällt darunter. Aber plausible Gründe, den Trainer im Sturzflug zu entlassen, gab es nicht. Die Herren Salihamidzić und Kahn sind höllisch darauf bedacht keinen Fehler zu begehen, und wer das so sehr nicht will, begeht sie eben. Und wie es sich fügte, lebt Thomas Tuchel in München und stünde vermutlich morgen nicht mehr zur Verfügung, weil ihn genügend Vereine für sich gewinnen wollen.
So kam es zu einer Entscheidung, für die es eigentlich keine immanente Begründung gibt. Und am Ende wird Julian Nagelsmann am meisten von dieser Sturzgeburt profitieren, zum Beispiel wenn er bei Real Madrid oder in Chelsea landet. Ich würde mich für ihn freuen.