Typus Fundamentalist, Fundamentalistin

Anton Hofreiter, der Grüne mit der blonden Mähne und dem bayerischen Sprechgesang, hat wieder einmal und ultimativ dazu aufgefordert, endlich Kampfpanzer aus deutscher Edelproduktion in die Ukraine zu schicken. Er steht nicht allein, das stimmt. Heftiger und öfter noch erhebt Marie-Agnes Strack-Zimmermann ihre Stimme und kritikastert den Bundeskanzler.

Ich hebe die beiden hervor, weil die Mehrheit in der veröffentlichten Meinung sich ihrer als Kronzeugen gegen den zögernden Olaf Scholz bedient. Dabei fällt auf, dass niemand nach den Beweggründen der beiden fragt, wobei es sich doch offensichtlich um zwei Zukurzgekommene handelt. Hofreiter wäre zu gerne Bundeslandwirtschaftsminister geworden, wobei seine Partei jedoch Cem Özdemir vorzog. Die Frau mit dem doppelten Doppelnamen macht kein Hehl daraus, wie gerne sie auf Christine Lambrecht gefolgt wäre, was ihr verwehrt blieb, weil sie, erstens, der falschen Partei angehört und, zweitens, mit ihrer forschen Art, um es freundlich auszudrücken, den Kanzler zur Weißglut bringen dürfte.

Interessanter aus meiner Sicht ist der Typus Anton Hofreiter, den es ja unter den Grünen in vielfältiger Ausfertigung gibt. Hofreiter ist Agrarexperte, das ist unbestreitbar. Er gehört dem linken Flügel seiner Partei an, wogegen sich nichts sagen lässt. Mir geht es um die jeweilige Unbedingtheit, mit derer auftritt und argumentiert. Fundamentalist ist er als Großkritiker der Landwirtschaft und Fundamentalist ist er jetzt als Sicherheitspolitiker, der er gar nicht ist, denn das Ersatzamt, das er bekam, ist der Vorsitz im Europa-Ausschuss des Deutschen Bundestages.

Fundamentalist hier und Fundamentalist dort. Würde er morgen den Fußball als Betätigungsfeld entdecken, würd er fundamental den DFB kritisieren, was man zweifellos machen kann, und eine Wende einklagen, egal wohin, die Hauptsache fundamental. Würde er übermorgen die Bildung als Betätigungsfeld entdecken, würde er eine Wende einklagen, vielleicht zum Prinzip Waldorfschule, was ja nicht falsch sein müsste, die Hauptsache einklagen und zwar fundamental. Undsoweiterundsofort.

Der Fundamentalist/die Fundamentalistin ist eine Erscheinungsform unserer Zeit. Er oder sie will etwas und zwar grundsätzlich und überhaupt auf der Stelle, also subito. Er oder sie argumentiert unzweideutig und teilt die Welt in Freund und Feind ein. Carl Schmitt ist sein und ihr Kronzeuge, auch wenn er und sie den Totengräber der Weimarer Republik entweder nicht kennt oder fundamental jede Nähe zu ihm abstreitet. Der Fundamentalist oder die Fundamentalistin findet sich bei „Friday for Future“, an den Universitäten, bei jeder Debatte, sei es Me-too, sei es beim Gendern, beim Kolonialismus, in der Literatur, bei Filmen etc. Er oder sie ist nicht einer Meinung, sondern diese Meinung ist absolut gesetzt und schließt aus, dass andere Meinungen faktisch gleichberechtigt oder moralisch gleichwertig sein könnten. Es gibt nur die eine Wahrheit, es gibt keineswegs Teilwahrheiten. Das Ideal ist der Absolutismus.

Fundamentalisten erzählen immer nur eine Geschichte, die eine Perspektive hat und einen Raum beherrscht. ihm liegt der Gedanke fern, dass er Toleranz üben sollte, weil ja die Meinung des Andersdenkenden falsch ist, unbedingt falsch. Argumentieren wird ersetzt durch Dekretieren. Er und sie fühlen sich in der Gruppe Gleichgesinnter wohl. Beide frönen dem Stammesdenken und stehen dem Taliban nahe, ob sie es für möglich halten oder nicht.

Nachdenken, gerade im Fall fundamentaler Entscheidungen, ist eine Stärke, keine Schwäche. Ein Bundeskanzler, der sich von den Hysterikern hetzen ließe, würde seinem Amt nicht gerecht.