Hamburg. Schöne Stadt. Sauber, reich, traditionsbewusst, bürgerlich, arrogant. Mag ich alles. Hier kam ich im August 1980 an, ein Kind aus kleineren Verhältnissen, wusste nicht, was ich konnte, ob ich in dieser wunderbaren, arroganten, bürgerlichen „Zeit“ bestehen konnte. Gestern habe ich mit meinem Chef von damals telefoniert, Theo Sommer, genannt Ted, der beste Chef, den ich je hatte. Er verbreitete gute Laune, vor allem dann, wenn an einem Dienstag das Blatt auf den Kopf gestellt werden musste, weil Sadat ermordet worden war oder Maggie Thatcher die Falklands zurückerobern wollte. Als ich meine ersten Leitartikel schrieb, gab er mir immer das Gefühl: Ich weiß, Sie sind nervös, aber ich weiß, dass Sie das können, nur munter darauf zu. In seinem Kopf dachte er sich ganz bestimmt: Was er nicht hin kriegt, biege ich gerade. Aber nicht Zweifel säte er, sondern Vertrauen.
Gestern habe ich mit Ted telefoniert. Seine Stimme: die alte. Er sagte, er hätte sich im Alter weniger aufregende Zeiten gewünscht. Im Juni wird er 92. Er schreibt an seinen Memoiren. Ich freue mich darauf, ihn zu sehen und sie zu lesen.
Früher fuhr ich gerne nach Berlin und kam gerne nach Hamburg zurück. Heute lebe ich ich gerne in Berlin und komme gerne zwischendurch mal nach Hamburg. Aus dem Hotelzimmer schaue ich auf die Außenalster, auf der ich segeln lernte. Gegenüber in der Fontenay 13 c hatten wir in den ersten Jahren gewohnt. Wenn ich aus dem Büro nach Hause kam, fuhr ich meinen Sohn Vincent im Buggy die Alster entlang. Für mich war es ein seelenerhebendes Erlebnis, um die Ecke zu biegen und Segelboote mitten in der Stadt zu sehen. Als ich selber segeln konnte, war ich fasziniert davon, dass die Geräusche der Stadt auf dem Wasser verschluckt wurden.
Zuletzt haben wir an der Elbe gewohnt, Höhe Strandperle. Über die Straße, den Weg hinunter, ein Glas Wein in der Hand, dann kam, hatten wir Glück, ein riesiges Containerschiff, voll beladen, und zwei Lotsenboote vorne und hinten bugsierten den Koloß elegant rückwärts zum Entladen.
Jetzt wohnen wir auch am Wasser. Aus der Haustür, um die Straßenecke, ein paar Stufen hinunter und schon bin ich am See. Bis Ende November bin ich reingegangen, morgens um 7, der Graureiher wartete mich ab und flog dann elegant über das Wasser, über dem Frühnebel lag. Einmal, ich trocknete mich gerade im Dämmerlicht ab, jagte ein Horde Wildschweine an mir vorbei. Sehr froh war ich, dass sie mich noch nicht einmal ignorierten.
Nun noch heute und morgen die alte Stadt, in der ich 37 Jahre mit Unterbrechungen in Bonn und Washington gewohnt habe. Nach Ostern komme ich wieder hierher und besuche Ted, den besten Chef ever.