Wer hätte gedacht, dass der Armin und der Markus vor die Presse treten und mit freundlichem Respekt übereinander reden, obwohl sie doch das Gleiche wollen? Jeder sagt vom jeweils anderen, dass er zum Kanzler geeignet ist und dass er, wird er es nicht, den anderen, der es wird, aus vollem Herzen und mit voller Kraft unterstützen wird. So viele gute Vorsätze hat man selten.
Sinnvoll ist ja das Experiment, das der Armin und der Markus ausgeheckt haben. Die Lage ist ernst, das Land steckt in der dritten Phase der Pandemie. Viele Menschen infizieren sich, zu viele Menschen sterben. Das Impfen schleppt sich dahin. Die Stimmung grenzt wahlweise ans Depressive oder Aggressive. Da passen die üblichen miesen Spielchen nicht, rund fünf Monate vor der Bundestagswahl. Der Nimbus der Politik ist ohnehin im Keller. Deshalb ist der Ernst, mit dem Armin Laschet und Markus Söder den Wettbewerb um die Nachfolge der Kanzlerin am Sonntag förmlich ausgerufen haben, nur angemessen.
Dabei eifern sie natürlich einem Vorbild nach, das friedliche Koexistenz zur Kunstform erhoben hat: den Grünen. Der Robert und die Annalena dürfen selber darüber entscheiden, wer von ihnen die Nummer Eins sein soll. Kein Parteigremium mischt sich ein, die Grünen warten ab, was passiert, was ja nun eigentlich seltsam in einer Parteiendemokratie ist. An diesem Mittwoch ist es soweit, dann wird Rauch aufsteigen, dann ist sie oder er gewählt und somit auch ein Kanzlerkandidat/eine Kanzlerkandidatin.
Die Grünen sind am Ende eines langen Prozesses angelangt, während die Union an einem späten Anfang steht, der schnell ein Ende finden wird. Die Dinge dürften sich in den nächsten Tagen überschlagen, so ist das eben, wenn eine Dynamik entfaltet wird, die schnell außer Kontrolle gerät. Die CDU wird Laschet stützen, die CSU wird Söder stützen. Ein paar Hintersassen und ein paar prominente Einzelgänger wie Norbert Röttgen werden sich gerne zu ihrer Meinung befragen lassen, vielleicht sagt die Bundestagsfraktion am Dienstag noch, wen sie bevorzugt. Geordnete Verfahren haben die Eigenschaft, schnell ins Unordentliche überzugehen, so dass alsbald der Ruf erschallen wird: Entscheidet euch gefälligst, damit nicht noch mehr Wechselstimmung in Deutschland aufkommt.
So wird wohl die Union auf den letzten Metern noch die Grünen überholen und ihren Kanzlerkandidaten vor dem Mittwoch küren. Wen? Doch wohl eher den Armin.
Veröffentlicht auf t-online.de, heute.