Am Sonntag habe ich mir Guardiola gegen Klopp angeschaut: zwei Trainer, zwei Philosophien, zwei britische Klubs mit großer Geschichte und problemfreiem Geldfluss. Klopp hat das Heimspiel 1:4 vernichtend verloren und dafür findet sich eine Menge an vordergründigen Ursachen: Dem vorzüglichen Torwart Allison unterliefen zwei groteske Fehler, die in zwei Toren mündeten. Drei entscheidende Innenverteidiger Gomez/Matip/van Dijk sind verletzt. Zwei Mittelfeldspieler musste Klopp deshalb zurückziehen, womit das innere Gefüge der Mannschaft zerstört worden ist. Die Ausnahmestürmer Mo Salah und Radio Mané sind es nicht gewöhnt, Verteidigungsanstrengungen auf sich zu nehmen. Der Neuzugang Thiago, ein pomadiger Mittelfeldhinundherspieler, bleibt wie üblich vieles schuldig, weshalb ihn in München auch niemand vermisst. Für das heimstarke Liverpool werden Heimniederlagen zur Gewohnheit, gegen Burnley wie gegen Man City.
Die tiefere Ursache für das erstaunliche Schwächeln liegt in Klopp selber. Er hat eine einzige Idee von Fußball und die heißt Überfallspiel durch Dauerpressing. Fünf Jahre lang ging das gut und festigte den Ruf des Trainers. Er ist der Typ Großmotivator. So gewann Liverpool zuerst die Champions League und im Jahr darauf die heiß ersehnte Meisterschaft. So wurde Kloppo zum Großereignis in Großbritannien. Ihm gelang, was ihm mit Dortmund nicht gelang. Und nun passiert ihm, was ihm mit Dortmund passierte.
Die eine Spielphilosophie, die er hat, verschleißt eine Mannschaft. Im Grunde bräuchte sie zwei 24 vollwertige, gleich gute Spieler, um der Misere vorzugreifen, die nie ausbleibt: diese Mischung aus Pech durch Verletzungen und Formschwankungen der Entscheidungsspieler.
Das Können eines Trainers zeigt sich in der Reaktion auf die Misere, die immer eintritt, selbst wenn Verletzungen ausbleiben. Der BVB verbrachte ein Ende der Hinrunde nach jahrelangem Hochleistungsspiel am Tabellenende, auf dem 18. Platz. Kein Zufall, die Mannschaft war entkräftet, ausgelaugt, so wie Liverpool jetzt entkräftet und ausgelaugt ist. Und der Trainer macht weiter wie bisher, weil ihm keine Alternative einfällt und er auch keine Alternativspieler besitzt, weil er die unvermeidliche Misere nicht kommen sah, obwohl er sie hätte kommen sehen müssen, weil ihm die Erfahrung sagen sollte: Erst geht es hoch, dann herunter, und was dann?
Manchester City hat auch seine Probleme. Kevin de Bruyne, der Taktgeber, ist langzeitverletzt. Sergio Agüero, die Tormaschine, ist verletzt. Pep Guardiola lässt kräftesparend spielen und variabel dazu. Plötzlich rückt Ilkay Gündogan weiter vor und schießt Tore, anstatt sie nur vorzubereiten. Die Ausfälle werden durch strategische Veränderungen ausgeglichen, weil der Trainer seine Philosophie seinen Möglichkeiten anpasst. Der Unterschied zwischen Guardiola und Klopp ist die Variabilität der Spielideen.
Im Hintergrund gibt es da noch Thomas Tuchel, der Chelsea aus dem Niemandsland des Mittelfelds in die Ränge bringen soll, die für die Champions League qualifizieren. Er findet gute Spieler vor, die aber keine Mannschaft bilden. Daraus ein geschmeidiges Gefüge erwachsen zu lassen, ist das Schwierigste überhaupt. Bayern München hat es hinter sich, seit ein eigentlich unscheinbarer Trainer wie Hansi Flick übernahm. Borussia Dortmund treibt seit Jahren unstet vor sich hin. Der letzte Titel liegt lange zurück, übrigens geholt unter Thomas Tuchel, der aus einer geschwächten Mannschaft (ohne Hummels/Gündogan/Michitarjan) ein stabile, in sich stimmige Mannschaft formte. Dass er mit den entscheidenden Figuren im Verein, Zorc und Watzke, nicht zurecht kam, schadet dem BVB seither und hat TT gelehrt, unvermeidliche Schwierigkeiten mit Diven im Verein besser abzufedern. Paris war nach Dortmund bestimmt eine gute Schule für Chelsea.
Die Wahrheit liegt jetzt erst mal in der Champions League für alle drei Mannschaften. Liverpool bekommt es mit RB Leipzig zu tun, Man City mit Borussia Mönchengladbach, Chelsea mit Atlético Madrid. Wieder was zum Anschauen. Wieder Anschauungsunterricht.