Donald Trump hat das Kriegsministerium angewiesen, sofort wieder Atomtests aufzunehmen. Seine Begründung lautet, er möchte auch tun, was die anderen tun – China und Russland. Er behauptet, die USA hätten die meisten Nuklearwaffen, was zwar nicht stimmt, aber kommt es auf Fakten an? Kommt es nicht, Russland hat mehr.
Dass die Tests auf gleicher Grundlage wie die Chinas und Russlands ausgeführt werden sollen, würde bedeuten, dass keine Atombombe gezündet werden wird. Nur Nordkorea zündet sie heute noch. Die USA haben 1992 den letzten Versuch unternommen, bevor der Präsident, er hieß George Bush senior, ein Moratorium verhängte. Im Rückblick war das eine goldene Zeit. Nach dem Ende des Kalten Krieges schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis sich die liberale Demokratie weltweit ausbreiten würde. Was für ein Irrtum, leider.
Interessant ist der Tag und die Stunde, die Trump für die Ankündigung wählte – kurz vor dem Treffen mit Xi Jinping in Südkorea, in dem die Konflikte um Zölle und Handelsströme eingedämmt werden sollten. Xi hatte den Export seltener Erden, auf die er ein Monopol besitzt, erheblich eingeschränkt und den Import von Sojabohnen eingestellt. Beides traf einen wunden Punkt in der Wirklichkeit, die Trump sich immer wieder zu seinen Gunsten zurecht lügt. Deshalb war er stärker auf einen Kompromiss bedacht als Xi.
Schwäche hasst Trump. So wich er auf ein anderes Spielfeld aus, auf dem die USA unbestritten Stärke besitzt. Er plusterte er sich mit der Wiederaufnahme der Atomtests auf. Natürlich bleibt vage, welche Systeme er meint und wie er sie testen lassen möchte. Details werden wie immer nachgeschoben.
Seinen Zweck erfüllte das Manöver, das er auf Truth Social, seiner digitalen Plattform, hinaus posaunte. Mehr als der Handelskrieg interessierte sich die Welt nunmehr für die Rückkehr zum kalten Krieg, in dem sich die Kontrahenten mit Atomwaffen hoch rüsten.
Trump ist zweifellos ein Meister der Manipulation. Sein Publikum, Freunde wie Feinde, hängen an seinen Lippen und nehmen jedes Wort ernst, das ihm entfleucht. Der Unterschied zwischen Lüge und Wahrheit ist aus seiner Sicht lediglich eine Funktion der Macht, die ihm zufällt und die er konsequent nutzt. So bleibt ihm die Aufmerksamkeit sicher, die er in seiner Egomanie für angemessen hält.
Dass ein Präsident eines großen demokratischen Landes systematisch Propaganda betreibt, ist noch ungewohnt. Trump ist erst seit ziemlich genau neun Monaten im Amt. Das ist nicht lange, wirkt aber unter seinem Dauerfeuer viel länger.
Man kennt Propaganda als Mittel zum Ausbau und zur Erhaltung der Macht zum Beispiel von Viktor Orbán oder Narendra Modri. Im Unterschied zum ungarischen Premier und dem indischen Präsidenten spricht Trump jedoch immer offen aus, was ihm durch den Kopf weht. Daran kann man sich orientieren. Trump geht vor und zurück, er droht und berichtigt sich. Er wirkt lächerlich, aber nie sollte man ihn unterschätzen.
Auch deshalb bleibt die öffentliche Meinung in den USA und anderen Weltgegenden atemlos fasziniert von dieser merkwürdigen Persönlichkeit und lässt sich von ihm hierhin treiben und dorthin, ganz so, wie er es ihm gefällt.
Dabei sind die neuen genauso wie die alten Autokraten durchaus berechenbar. Geraten sie in Bedrängnis, schlagen sie um sich. Da sie Stärke bewundern, bedroht Schwäche ihre Statur.
Wladimir Putin hat sich Russland nach seinem Bilde geformt. Seine Schwäche ist jedoch, dass er sich überschätzt und andere unterschätzt. Zuerst passierte es ihm in der Ukraine und danach mit Donald Trump.
Der US-Präsident ließ sch umschmeicheln und ertrug es, dass er beim Versuch ins Leere lief, den Krieg zu beenden. Es dauerte lange, bis er einsah, dass Putin ihn zu manipulieren suchte. Jetzt wiegt er sich nicht mehr im Glauben, er könnte durch ein Übermaß an (verdächtiger) Nettigkeit Putin zum Frieden bewegen. Dass Trump nun auch Sanktionen verhängt, bringt Putin dazu, anderweitig Stärke zu demonstrieren.
Mit dem üblichen Tamtam berichtete der Präsident im Fernsehen, dass russische Ingenieurskunst wiederum Außerordentliches erzielt habe. Er pries die „Burewestnik“ (Sturmvogel) als das neueste Produkt im Arsenal der Nuklearmacht an. Es handelt sich um einen niedrig fliegenden Marschflugkörper, der nukleare Sprengköpfe tragen kann und, darin liegt die Besonderheit, auch nuklear angetrieben wird. Beim Testflug, sagte Putin, militärisch gekleidet in Camouflage, sei diese Wunderwaffe 14 000 Kilometer geflogen und dabei sensationelle 15 Stunden in der Luft geblieben.
Die „Burewestnik“ hat aber einen eklatanten Nachteil, wie Experten nüchtern einwenden. Da sie, erstens, niedrig fliegt und dann auch noch, zweitens, langsam, ist sie gefährdet. Drohnen etwa haben eine gute Chance, sie vom Himmel zu holen.
Wahrscheinlich war der Erstflug seit Monaten in Vorbereitung. Nicht zufällig wurde er aber auf den 21. Oktober angesetzt, als sich das Verhältnis zu den USA verschlechtert hatte. Denn Atomwaffen haben große Bedeutung für Russland. Weder wirtschaftlich noch kulturell ist das Land den USA ebenbürtig. Allein im nuklearen Wettbewerb liegen beide Länder in etwa gleich auf.
Deshalb hat der Test dieser neuartigen Waffe auch eine politische Botschaft, die Putin an Trump sendet: Nimm mich ernst, lass uns wieder über die Ukraine verhandeln und vor allem über das Embargo für mein Öl und Gas.
Der dritte im Bunde schaut zu recht amüsiert zu, wie Putin und Trump angestrengt ihre Kreise ziehen: China. Das Riesenreich hat große Erfahrung in der Anwendung von Propaganda als zuverlässigem Machtmittel. Allerdings wendet sie sich mehr noch nach innen als nach außen, was bei der Ruhigstellung von 1,4 Milliarden Menschen kein Wunder ist. Und anders als Trump, der ein Ausbund an Kurzatmigkeit ist, bleibt Xi überzeugt davon, dass China mit seinem langem Atem die Zukunft gehört.
Veröffentlicht auf t-online.de, heute.