Kindpräsident einer eitlen Supermacht

Nach langem dröhnendem Schweigen schickte Donald Trump zuerst seine Uno-Botschafterin vor, die behaupten durfte, dass Amerika jeden Zentimeter Boden der Nato zu verteidigen denke, was uns Europäer erstaunte. Tags darauf überraschte er mit der Ankündigung, er sei für neue Sanktionen gegen Russland zu haben, falls europäische Staaten, die noch immer Gas aus dem Hause Putin bezögen, darauf verzichten sollten.

So viel Differenzierungsfähigkeit bringt Donald Trump nur widerwillig auf, wie wir inzwischen wissen. Der Präsident, der schnell aus der Hüfte schießt, zaudert jedes Mal, wenn es gegen Staatsmänner geht, die er offenfür ihren Eigensinn bewundert. Wladimir Putin gehört dazu, Benjamin Netanyahu auch.

Beide Kriegsherren tanzen Donald Trump auf der Nase herum und er lässt es sich gefallen. Netanyahu wollte in Katar die politische Führung der Hamas umbringen, was wohl misslang. Die Freiheit, die ihm der US-Präsident gewährt, nutzt er eben, egal ob in Syrien oder im Libanon, in Katar oder Gaza.

Was Wladimir Putin anbelangt, muss man sich kurz noch mal die Bilder aus Alaska vor Augen führen – die Vorzugsbehandlung, das Umschmeicheln, das Weltschmierentheater.  Was Trump damit bezweckt haben mag, beeindruckte Putin wenig. Er führt den Krieg in der Ukraine nach seinem Willen und seinen Vorstellungen weiter. An ihm perlen die eitlen Wünsche des US-Präsidenten nach ein bisschen Waffenstillstand, nach einem Treffen mit Wolodymyr Selenskji ab.

Aus Alaska mag Putin abgereist sein in der Gewissheit, dass Amerika so dekadent ist, wie er es sich ausgemalt hat. Nicht anders hält es Benjamin Netanyahu, der es nicht für nötig erachtete, Trump vor seinem Angriff auf Katar zu informieren – genau dort, wo die USA ihren wichtigsten Stützpunkt im Nahen Osten unterhalten. 

Trump brachte sogar noch Verständnis auf, als Drohnen auf Polen niedergingen. Zunächst machte er sich die Kreml-Version zueigen, dass es sich um verirrte Angriffe kraft elektronischer Ablenkung gehandelt habe, mutmaßlich durch Störmanöver der Ukraine. Tatsächlich waren wohl keine spezifisch polnischen Ziele programmiert.

Es dauerte quälend lange, bis Trump Überlegungen anstellte, die auf Sanktionen zielen. Dafür hätte es der Drohnen gar nicht bedurft. Der bloße Umstand, dass der russische Präsident sich an keinerlei Zusagen gebunden sieht, die er dem amerikanischen Präsidenten am Telefon oder eben in Alaska machte, sind Grund genug für härtere Konsequenzen.

Es wäre natürlich eine Ironie der Weltgeschichte, wenn Putin dank seiner zynischen Sicht der Dinge Trump dazu bringen würde, die Nato nicht zu sprengen, sondern zu erhalten. Da wir dem US-Präsidenten alles zutrauen sollten, was wir ihm zutrauen können, können wir auch nicht ausschließen, dass die USA plötzlich wieder als Vormacht im Bündnis auftreten.

Donald Trump verliert aber nach unserer Erfahrung das Interesse am Weltgeschehen, wenn es sich nicht nach seiner Kurzzeitaufmerksamkeitsspanne entfaltet. Nicht zu vergessen ist die tiefenscharfe Behauptung seines jungen Vize J.D. Vance, dass Putin es nicht gewagt hätte, 2022 die Ukraine zu überfallen, wenn der Präsident nicht Joe Biden, sondern Trump geheißen hätte – aus Angst vor ihm nämlich. So infantil stellen sie sich im Weißen Haus  Weltpolitik vor.

In China gab es dereinst einen Kindkaiser. Donald Trump ist ein Kindpräsident. Er will unbedingt den Nobelpreis gewinnen, aber wofür? Dass Putin weiterhin macht, was er will, weil er Amerika nicht ernst nehmen muss? Dass Netanyahu macht, was er will, egal was Trump will?

Auch Viktor Orbán und Robert Fico kommen dem US-Ideal einer autokratisch geführten Nation, die den Rechtsstaat stranguliert und die Medien gängelt, äußerst nahe. Nur sind Ungarn und die Slowakei genau die beiden EU-Staaten, die unbeirrt Gas und Öl aus Russland beziehen. Also verlangen die USA, dass diese beiden Staaten von ihrem Sonderweg abgehen. Oder ist das nur ein Vorwand, weil Donald Trump keine Lust hat, neue Sanktionen über Russland zu verhängen?

Ob Donald Trump meint, was er sagt, oder nur etwas sagt, damit er keine Konsequenzen gegen Russland ziehen muss, werden wir in den nächsten Tagen erfahren. Aber unabhängig davon sollte die Europäische Union darüber nachdenken, ob Ungarn und die Slowakei nicht aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden sollten. Oder wie viel offene Verachtung lässt sich die EU gefallen?

Veröffentlicht auf t-online.de, am Montag.