Strampeln gegen miese Stimmung

Es passt ins trübe Bild, dass die deutsche Fußballnationalmannschaft das Spiel gegen die Slowakei kläglich verloren hat, das sie nach unserer Erwartung gewinnen musste. An wem hat es gelegen? Der Trainer hatte sich ein System ausgedacht, dass die Spieler nicht anwenden konnten, zumal sie ziemlich außer Form waren, was zu Saisonbeginn ungewöhnlich ist. Nichts passte zusammen, daran lag es.

Man soll ja Vergleiche nicht überstrapazieren, aber es fällt auf, dass den Deutschen momentan nicht viel gelingt. Die Bahn fuhr neulich pünktlich in Berlin ein – noch nicht mal auf prinzipielles Zuspätkommen kann man sich verlassen. Unsere Prachtautos will niemand mehr kaufen, wer hätte das gedacht. Die Wirtschaft stagniert und sucht die Verantwortung nicht unbedingt bei sich selber. Drei Millionen Menschen sind arbeitslos, oha. Und die Regierung mag strampeln, so viel sie will – auf einen grünen Zweig kommt sie deswegen noch lange nicht.

Der Mangel an Vertrauen lässt sich an den Meinungsumfragen ablesen. CDU/CSU stagnieren, die AfD rückt der Union bedenklich auf die Pelle. Nackte Zahlen sagen aber nichts über die Grundstimmung im Lande aus. Ist es Wut über die regierende Mitte? Schadenfreude über den Aufstieg der Rechten? Melancholie über die Vielzahl der Krisen und ständigen Veränderungen?

Salomonisch lässt sich deuten: Wahrscheinlich kombiniert sich hier eine Gemengelage zusammen, die sich mittlerweile verselbständigt hat und sich nicht mehr leicht auflösen lässt. Stimmung und Lage passen sich einander an – mies, eher pessimistisch, einigermaßen beklommen und empörungsbereit auf der Suche nach Schuldigen für das schale Lebensgefühl.

Darin liegt ein Grund dafür, dass die Bundesregierung und ihr Bundeskanzler für ihre Bemühungen nicht belohnt werden. Es läuft  innenpolitisch nicht rund, das stimmt, aber es fällt eben auch auf, dass nicht nur die Medien darauf lauern, dass sich diese Koalition genauso zerlegt wie die unselige Ampel vor ihr. 

Besonders produktiv ist diese negative Erwartungshaltung wohl kaum. Nun kann man sagen: Ja, so sind sie, die Menschen und vor allem die Medien. Und warum sollten sie nicht vom Misslingen ausgehen? Doch gibt es zwei Gründe, die gegen eine fatale Wiederholung der raschen Selbstzerstörung sprechen. Erstens verfügt diese Regierung über viel Geld, während das Bundesverfassungsgericht der Ampel den Geldhahn zugedreht hatte. Und Friedrich Merz macht zumindest außenpolitisch eine ungewöhnlich gute Figur, was man von Olaf Scholz leider nie sagen konnte.

Unter anderen Umstände würden wir vermutlich sogar konzedieren: Ist ja auch nicht einfach, mit dem Irrlicht im Weißen Haus und den Zöllen und dem Krieg in der Ukraine und auch dem im Gaza. Wer sich in dieser Krisenserie einigermaßen behauptet, und das kann man der deutschen Regierung zugute halten, kann so schlecht nicht sein.

Unter anderen Umständen würde man vermutlich auch guten Willen unterstellen, das Konfliktpotential innenpolitisch zu entschärfen. Viel wäre ja schon gewonnen, wenn die Koalition beim Umbau des Wohlfahrtstaates so pragmatisch vorginge, wie sie es sich vorgenommen hat. Immerhin steht der Haushalt, zu dem die Ampel nicht mehr imstande war. Und gegen die schlechte Stimmung könnte man ja auch darauf hoffen, dass sich die Investitionen in die Infrastruktur im Herbst freundlich auf das Wirtschaftswachstum auswirken.

Für jedes zarte Pflänzchen Hoffnung muss man schon dankbar sein. Und zugleich auf Schlimmes gefasst sein, auch das ist wahr, wenn man an die Wahl in einem Jahr in Sachsen-Anhalt denkt oder auch an die in Baden-Württemberg kurz vorher. Wenn zwei Ministerpräsidenten abtreten, erscheint vieles möglich.

Am kommenden Sonntag sind erst einmal Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Eigentlich kein Großereignis, aber wie die Dinge liegen, wird jede Wahl, zumal im größten Bundesland, symbolisch aufgeladen. Wo landet die Union, wie hoch kommt die AfD? Die SPD, die einst identisch mit NRW war, vor allem im Ruhrgebiet, wird sich freuen, wenn sie vor der AfD landet.

Auch diese Wahl wird sich auf die Berliner Verhältnisse auswirken, das versteht sich. Mal schauen, wieviel Rechtfertigung Friedrich Merz abgenötigt wird. Die deutschen Fußballer haben immer mal wieder gewonnen – glanzlos und damit der Stimmung im Lande entsprechend.

Veröffentlicht auf t-online.de, heute.