Wenn zwei Figuren der Weltpolitik nach einem Treffen Andeutungen über eine Einigung fallen lassen und von Weiterungen munkeln, dann kommt unweigerlich Misstrauen auf, dass sie zu Lasten aller anderen geheime Vereinbarungen getroffen haben könnten.
Wladimir Putin muss man aus Erfahrung alles zutrauen. Er ist der Machtpolitiker alten Schlags, der seinen Interessen kaltblütig folgte. Der Westen ist sein Feind, was aber keineswegs einschließt, dass er mit dem Feind keine Deals vereinbaren würde. Aus seiner Sicht war der Hitler-Stalin Pakt 1939 ein voller Erfolg.
Donald Trump ist grundsätzlich zu allem fähig. Er nimmt jede Form des Politischen persönlich. In seiner Verblendung, dass er kraft seiner Persönlichkeit die Macht der Interessen überwinden kann, ist er unübertroffen. Erinnert sich noch irgendjemand an das lächerliche Treffen mit Kim Jong-un, dem Monsterbaby aus Nordkorea, im Februar 2019? „Er mochte mich. Ich mochte ihn. Wir kamen sehr gut miteinander aus,“ sagte Trump hinterher.
Er mag mich, ich mag ihn sowieso, sagte Trump sinngemäß nach dem Treffen in Anchorage über Putin, den er ab jetzt nur noch Wladimir nennt, wie rührend. Liegt in dieser demonstrativen Sentimentalität das Ergebnis dieses pompösen Weltereignisses – in der Art des Handschlags, dass sie gemeinsam im Lincoln aus den US-Stützpunkt fuhren, in dem Bilderhagel zweier lächelnd einander zugeneigter Männer? Ansonsten nichts passiert?
Groß in gefühlter Atmosphäre, klein an politischer Substanz. Und die Ironie daran ist, dass wir in Europa und vor allem die Ukraine froh darüber sein müssen, wenn es dabei bleibt.
Ein Rätsel aber ist weiterhin, weshalb Donald so viel Rücksicht auf Wladimir zu nehmen bereit ist. Die Inszenierung von Anchorage mag Trumps Gefallen finden, blendet jedoch bestimmt nicht Putin, der weiß, wie sich mit Symbolpolitik Bedeutung simulieren lässt.
Für ihn zählt, dass er weniger denn je Konsequenzen für seine Kriegsführung befürchten. In seiner Einschätzung, dass der Westen dekadent ist und Amerika von nun an Europa sich selber überlässt, kann er sich bestärkt sehen. Ihm bleibt freie Hand in der Ukraine, darauf kommt es ihm an. Dieses Ergebnis ist ihm wichtiger als das Auftauchen auf der Weltbühne, das natürlich auch die russischen Medien bis zum Abwinken ausschlachten.
Nicht einmal Trump gibt vor, dass nach Alaska die Geschichte neu geschrieben werden muss. Ersatzweise labt er sich in der Schmeichelei, dass nun auch Putin bekannt hat, dass der Krieg in der Ukraine unter einem Präsidenten Trump ausgeblieben wäre. Für einen Zyniker wie Putin ist so ein abgeschmacktes Zugeständnis ein leichtes Spiel.
Vielleicht finden die Historiker irgendwann heraus, was Trump im Umgang mit Russland hemmt. Denn eigentlich bewundert dieser Präsident Autokraten wie Kim Jong-un oder Xi Jinping oder Putin für ihre Stärke und verachtet Verlierer. Doch Putin ist alles andere als ein Sieger.
Denn wo er Vakanzen nutzen wollte, wie im Nahen Osten nach dem Rückzug der USA, als er sich in Syrien und Iran als Helfer anbot, geht die Zeit über Russland hinweg. Wo er glaubte, ein Land rasch zu annektieren, in der Ukraine, hat er sich als miserabler Großstratege erwiesen. Und im übrigen erlitt er gerade die Schmach, dass Trump zwischen Armenien und Aserbeidschan vermittelte – zwei Ländern im eigenen Vorhof.
Was also bleibt? In einem Interview hat Trump wieder gesagt, was er immer mal sagt, das Weitere hänge nun von Wolodymyr Selenskji ab. Eigentlich eine Kapitulation, da Donald dem Wladimir keinerlei Zugeständnis abringen kann.
Der Krieg geht weiter. Paradoxerweise liegt darin eine gute Nachricht für die Ukraine. Der befürchtete Deal auf ihrem Rücken bleibt aus – bis auf weiteres. Selenskji hat Recht behalten, dass Putin zu keinerlei Konzession bereit ist und ja auch nicht dazu gezwungen wird.
Das Kerneuropa um Deutschland und Frankreich verhielt sich im Vorfeld von Anchorage bravourös. Friedrich Merz und die anderen müssen weiterhin das fast Unmögliche verfolgen, nämlich Einfluss auf Trump zu üben, so dass er weder Sanktionen gegen Russland aufhebt noch die militärische Unterstützung für die Ukraine aufgibt. Zugleich müssen sie Vorkehrungen für den Fall treffen, dass Trump das Interesse an der Ukraine verliert, weil er nicht der Friedensstifter sein darf, der er unbedingt sein will.
Auf Trump war bis jetzt schon kein Verlass und ist es fortan noch weniger. Was nun aus der Kapitulation vor Wladimir folgen wird, weiß niemand, wahrscheinlich der amerikanische Präsident auch nicht. So lange er von dem Blendfeuerwerk in Anchorage beeindruckt den darf, muss er kein neues aufziehen. Und danach?
Veröffentlicht auf t-online.de, gestern.